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Schachfigur im Zeitspiel

Schachfigur im Zeitspiel

Titel: Schachfigur im Zeitspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Bewegung, durchquerte den Raum, und Loris eilte ihm nach. »Worauf müssen wir achten? Natürlich haben wir genügend Wachpersonal zur Verfügung, aber … Mir ist klar, daß er sehr schwach ist und dies auch noch einige Zeit bleiben wird.« Jetzt hielt sie ihn an. »Wann wird er zu Bewußtsein kommen?«
    »Vermutlich in einer Stunde«, sagte er an der Tür.
    Das stellte sie offensichtlich zufrieden. Sie nickte geistesabwesend und ging zu dem Patienten zurück.
    Allein stieg er die Stufen hinauf, und nachdem er mehrmals fremde Zimmer betreten hatte, schaffte er es schließlich, sein Apartment zu finden. Er schloß die Tür hinter sich, sank auf das Bett und wollte nur noch schlafen. Er fühlte sich zu müde, um sich auszuziehen oder sich unter die Dusche zu stellen.
    Das nächste, das er bewußt mitbekam, war, daß die Tür geöffnet wurde. Loris stand im Eingang und starrte auf ihn herab. Im Raum war es jetzt dunkel geworden – oder hatte er sich bei eingeschaltetem Licht schlafen gelegt? Ziemlich erschlagen setzte er sich auf.
    »Ich dachte, Sie wollen vielleicht etwas zu essen haben«, sagte sie. »Es ist nach Mitternacht.« Als sie eine Lampe einschaltete und hinüberging und die Vorhänge zuzog, sah er, daß ihr ein Diener in das Apartment gefolgt war.
    »Danke«, sagte er und rieb sich die Augen.
    Loris entließ den Diener und hob die Zinndeckel von den Schüsseln. Er roch warme, intensive Essensdüfte.
    »Hat sich der Zustand Ihres Vaters irgendwie verändert?« fragte er.
    Loris sagte: »Er ist für einen Moment zu Bewußtsein gekommen. Wenigstens hat er die Augen geöffnet. Und ich hatte den Eindruck, daß er mich bemerkt hat. Aber dann ist er wieder eingeschlafen; er schläft auch jetzt.«
    »Er wird sehr viel schlafen«, sagte Parsons. Aber er dachte: Das könnte auf einen möglichen Gehirnschaden hinweisen.
    Sie hatte an einem kleinen Tisch zwei Stühle zurechtgerückt, und er wartete, bis sie sich gesetzt hatte. »Danke«, sagte sie. »Sie haben mit dem, was Sie getan haben, alles menschenmögliche gegeben. Es war ein sehr eindrucksvolles Schauspiel für uns – ein Arzt und seine Hingabe an das Heilen.« Sie lächelte ihn an, und im Zwielicht des Zimmers waren ihre Lippen voll und feucht. Seit er sie das letztemal gesehen hatte, hatte sie ein anderes Kleid angezogen, und ihr Haar war jetzt zurückgebunden und von einer Spange festgehalten. »Sie sind wirklich ein guter Mensch«, sagte sie. »Ein sehr freundlicher und achtbarer Mensch. Wir sind durch Ihre Anwesenheit geadelt.«
    Verlegen zuckte er mit den Schultern, weil er nicht wußte, was er sagen sollte.
    »Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Unbehagen bereitet habe«, sagte sie und begann zu essen. Er folgte ihrem Beispiel. Aber nach ein paar Bissen merkte er, daß er nicht hungrig war. Er fühlte sich unruhig, stand auf und entschuldigte sich. Er ging zur Veranda des Apartments, öffnete die Glastür und trat in die kalte Nachtluft hinaus. Leuchtende Nachtmotten flatterten jenseits der Gutsgrenzen zwischen Bäumen und feuchten Zweigen. Irgendwo im Wald rumorten kleine Tiere herum, knurrten, entfernten sich verstohlen.
    Geräusche von brechenden Zweigen, heimliche Schritte. Zischen.
    »Katzen«, flüsterte Loris. »Hauskatzen.« Sie war ebenfalls herausgekommen, stand jetzt neben ihm und blickte in die Dunkelheit.
    »Verwildert?«
    Sie wandte sich ihm zu. »Wissen Sie, Doktor, es gibt da einen grundlegenden Irrtum in ihrem Denken.«
    »Wen meinen Sie mit ›ihrem‹?«
    Sie machte eine unbestimmte Handbewegung und sagte: »Die Regierung. Das ganze System hier. Den Seelenquader, die Turniere. Dieses Mädchen, Icara, das Sie gerettet haben.« Ihre Stimme wurde hart. »Sie hat sich umgebracht, weil sie entstellt worden war. Sie wußte, daß sie die Einstufung des Stammes verschlechtern würde, wenn die Turnierzeit kommt. Sie wußte, daß sie wegen ihrer Erscheinung schlecht abschneiden würde. Aber solche Dinge werden nicht vererbt!« Bitterkeit durchzog ihre Stimme. »Sie hat sich für nichts und wieder nichts geopfert. Und wer hat gewonnen? Wem hat ihr Tod genützt? Sie war sicher, es sei für das Wohl des Clans – für die Rasse. Ich habe genug vom Tod gesehen.«
    Als er sie so sprechen hörte, wußte er, daß sie an ihren Vater dachte. »Loris«, sagte er. »Wenn ihr in die Vergangenheit zurückgehen könnt, warum habt ihr nicht versucht, sie zu ändern? Seinen Tod zu verhindern?«
    »Sie wissen nicht, was wir wissen«, antwortete sie. »Die

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