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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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in seinem Laden Tee mit ihm getrunken hat. Schadrach hustet und spuckt und verschüttet fast den Tee in seiner Tasse. Das Gesicht wird das Gesicht von Doktor Mordechai sein, ja, aber der Geist hinter den warmen, forschenden Augen wird der kalte, verdüsterte Geist Dschingis Khans II. Mao sein. Beinahe hätte Schadrach das Projekt Avatara vergessen, an diesem Tag in Nairobi. Beinahe. »Ich muß gehen«, sagt er. »Es ist schon spät, und Sie werden schließen wollen.«
    »Bleiben Sie noch eine Weile. Ich habe es nicht eilig.« Nach einem Augenblick fügt er hinzu: »Darf ich Sie zum Abendessen in meine Wohnung einladen?«
    »Ich fürchte, das wird nicht möglich sein…«
    »Anderweitige Verpflichtungen? Das ist schade. Wir würden Ihnen zu Ehren ein feines indisches Gericht improvisieren. Wir würden eine Flasche guten Wein auftreiben! Einige gute Freunde von mir – die anregendsten Mitglieder der hiesigen indischen Kolonie – Lehrer, Künstler, Wissenschaftler, intelligente Konversation –, ach ja, ein köstlicher Abend, wenn Sie uns die Ehre geben würden!«
    Eine Verlockung. Schadrach wird andernfalls in seinem Hotel essen, allem, ein Fremder in dieser fremden Stadt, einsam und in Gefahr. Aber nein: unmöglich. Einer von diesen anregenden intellektuellen Indern wird ihn sicherlich fragen, wo er lebt, welche Art ärztlicher Praxis er ausübt, und dann muß er entweder lügen, was ihm verhaßt ist, oder er muß mit der ganzen Wahrheit herausrücken – Mitglied der privilegierten Elite, Leibarzt des tyrannischen alten Vorsitzenden etc. etc. und soviel für seinen neuen Ruf als humanitärer Wohltäter: die Wahrheit über ihn wird den Freunden von Bhischma Das widerwärtig sein und den armen Das selbst demütigen: Schadrach murmelt aufrichtig klingende Entschuldigungen und Formeln des Bedauerns. Als er sich verabschiedet, begleitet ihn Das zur Tür und sagt: »Dann nehmen Sie wenigstens ein kleines Geschenk von mir an, eine Erinnerung an diese angenehme Stunde.« Er überblickt hastig seine Regale, sucht zwischen den Speeren, Korallen- und Muschelketten, den hölzernen Statuetten, aber alles ist entweder zu primitiv und dürftig, zu billig oder zu groß und ungefüge, um ein passendes Geschenk für einen solchen vornehmen Gast abzugeben, und einen Augenblick scheint es, daß Schadrach ohne Geschenk hinausgehen wird; doch im letzten Augenblick nimmt Das ein kleines Antilopenhorn auf, in dessen spitz zulaufendes Ende ein Loch gebohrt und mit Wachs verstopft ist. Ein Schröpfhorn, erläutert Das, von einem Stamm nahe der südlichen Grenze verwendet, um Schmerzen und böse Geister aus den Körpern der Kranken zu ziehen: man setzt das Hörn mit der offenen Seite an die Haut, saugt die Luft heraus, bis ein Vakuum entsteht, verstopft das Loch mit dem Wachspropfen. Er drängt es Schadrach auf, sagt, es sei ein passendes Geschenk für einen Arzt, und Schadrach nimmt es, nachdem er sich anstandshalber eine Weile geziert hat, mit Freuden an. Er hat keine medizinischen Instrumente aus Ostafrika in seiner Sammlung. »Diese Schröpfhörner werden noch immer verwendet«, sagt Das. »Gerade in dieser Zeit, um den bösen Geist der Organzersetzung herauszuziehen.« Er geleitet Schadrach mit Verbeugungen aus dem Laden, sagt ihm wieder und wieder, welch eine Ehre sein Besuch gewesen sei, wie gut es ihm getan habe, aus dem Munde eines Arztes so hoffnungsvolle Worte zu vernehmen.
    Auf dem Rückweg zum Hotel sieht Schadrach vier Tote und Sterbende auf den Straßen liegen.
     

21
    Am nächsten Morgen fliegt er weiter nach Jerusalem. Er blickt auf Länder, Flüsse und Seen hinab, glaubt die Rundung des Planeten unter sich zu fühlen und ist ergriffen von seiner Vielfalt, seinem Reichtum. Diese wunderbare Welt, die Athen und Samarkand trägt, Lhasa und Rangun, Timbuktu, Benares, Chartres, Cent, alle die alten und bedeutenden Kulturdenkmäler der verschwindenden Menschheit und alle die wunderbaren Naturdenkmäler, den Grand Canyon, den Amazonas, den Himalaya, die Sahara – so unendlich viel für einen kleinen kosmischen Klumpen, eine solche Fülle bunter Mannigfaltigkeit. Und alles ist sein – bis der alte Mann in Ulan Bator ihn ruft, daß er die Welt und sich selbst aufgebe.
    Anders als Bhischma Das ist er nicht bereit, sich in sein Schicksal zu fügen, wann immer der Marschbefehl eintreffen mag. Die Schönheit der Erde rührt ihn an, er hat so wenig davon gesehen. Es gibt Berge zu ersteigen, Flüsse zu überqueren, Weine zu kosten. Er,

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