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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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liegt fünfzehn, sechzehn Jahre zurück.«
    »Genau. Ich glaube, wir können ruhig Du zueinander sagen. Früher taten wir es.«
    Schadrach starrt den Mann mit gerunzelter Stirn an. Er kann dieses Gesicht in seinem Gedächtnis nicht finden. »Also, ich weiß wirklich nicht…«
    »Zieh fünfzehn Jahre von mir ab. Und ungefähr zwanzig Kilo.
    Und den Bart. Mann, du hast dich überhaupt nicht verändert! Natürlich hast du auch ein leichtes Leben. Ich weiß, was du die letzten Jahre getrieben hast.« Der Mann scharrt unsicher mit den Füßen, dann wendet er sich zur Seite, ohne Schadrachs Arm loszulassen, hustet und spuckt aus. Die Spucke ist blutig. Er grinst. »Wieder ein Stück Lunge. Ich sehe, du erkennst mich wirklich nicht. Warum auch, wir weißen Jungen sehen alle gleich aus.«
    »Können – kannst du mir noch einen Tipp geben?«
    »Klar. Wir waren zusammen in der Leichtathletikmannschaft.«
    »Kugelstoßen!« sagt Schadrach sofort. Er fühlt förmlich, wie sein Gedächtnis die Information aus Gott weiß was für einem verborgenen Fach freigibt, und weiß, daß sie richtig ist.
    »Zwei Punkte. Nun den Namen.«
    »Noch nicht. Gleich habe ich ihn.« Er stellt sich diese Ruine als einen jungen Mann vor, bartlos, mit Muskeln, wo er heute Fett hat, in Turnhemd und Turnhose, die schimmernde Eisenkugel in der rechten Hand, wie er den bizarren kleinen Tanz des Kugelstoßers ausführt, der in Wahrheit ein sorgfältig ausgefeilter Bewegungsablauf zur Verstärkung der Stoßkraft ist…
    »Die Leichtathletikmeisterschaften in Boston, 1995. Du gewannst den Sechzigmeterlauf in sechs Sekunden, und ich stieß die Kugel einundzwanzig Meter. Unsere Bilder waren in der Zeitung. Weißt du noch? Du warst ein höllisch guter Sprinter, Schadrach. Ich wette, du bist es immer noch. Nun, was mich angeht, ich könnte die Kugel nicht mal aufheben. Weißt du jetzt, wer ich bin?«
    »Ehrenreich«, sagt Schadrach sofort. »Jim Ehrenreich.«
    »Sechs Punkte! Und heute bist du der Leibarzt des großen Mannes. Du sagtest damals, du wolltest der Menschheit nützlich sein, du wolltest nicht Medizin studieren, um an das große Geld zu kommen. Und du hast dein Ziel erreicht. Im Dienst der Menschheit, erhältst unseren glorreichen Führer am Leben. Warum macht du ein so erstauntes Gesicht? Glaubst du, niemand hätte eine Ahnung, wer der Leibarzt des Vorsitzenden ist?«
    »Ich bemühe mich nicht um Publizität«, sagt Schadrach.
    »Mag sein. Aber wir wissen ziemlich genau über alles Bescheid, was in Ulan Bator vor sich geht. Erstens sind die Zeitungen voll davon, und zweitens war ich selbst Mitglied im Revolutionsrat von San Francisco. Bis vor einem Jahr. Wohin gehst du? Chinesenviertel? Dann können wir zusammen gehen. Dieses Herumstehen ist schlecht für meine Beine, weißt du, die Krampfadern. Ja, ich war im Revolutionsrat von Nordkalifornien, der dritte Mann in der Rangfolge, überprüfter Geheimnisträger. Jetzt bin ich nichts mehr, nicht mal Parteimitglied. Aber keine Sorge: du kriegst keinen Ärger, wenn du mit mir sprichst. Nicht mal mit den Milizleuten, die da drüben stehen und herüberschauen. Ich bin kein Paria oder was, weißt du. Bloß ein ehemaliges Mitglied des Revolutionsrates. Ich kann mit allen reden.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich war dumm. Ich hatte eine Freundin, verstehst du, die war auch in der Partei und hatte eine Funktion in der Stadtorganisation von San Francisco. Nun, ihr Bruder kriegte die Fäulnis. Sie sagte zu mir, kannst du nicht ein bißchen am Computer drehen, eine größere Lieferung vom Gegenmittel anfordern und meinem Bruder helfen? Klar, sagte ich, wird gemacht, für dich tue ich alles. Ich kannte den Programmierer. So ein kleiner Trick mit den Zahlen war für ihn eine Kleinigkeit. Also fragte ich ihn, und er machte es, jedenfalls glaubte ich, daß er es machte, aber das Schwein ließ mich reinsausen und verpfiff mich. Am nächsten Tag kam einer vom Sicherheitsdienst und forderte mich auf, Rechenschaft über die Sonderzuteilung vom Gegenmittel abzulegen, die ich angefordert hatte…« Ehrenreich hebt die Schultern und zwinkert fröhlich. »Sie wurde als Anstifterin zur Organfarm geschickt. Ihr Bruder starb ein paar Jahre später. Mich stießen sie aus dem Rat und der Partei aus, aber das war alles, keine weitere Bestrafung. Ich konnte von Glück sagen. Mildernde Umstände, wegen meiner langjährigen Verdienste für die Sache der Revolution. Ich kriege sogar eine kleine Rente, genug für meine Bedürfnisse. Wenn

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