Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
während der Abwesenheit des Leibarztes Schaden genommen und droht zusammenzubrechen. Schadrachs Unentbehrlichkeit ist manifest geworden. Er wird gebraucht. Er muß sofort zu seinem Patienten. Und die geeigneten Schritte einleiten. Er hat seine hippokratischen Pflichten zu erfüllen. Außerdem muß er an sein eigenes Überleben denken.
     
    Schadrach geht in die Hotelhalle hinunter, um einen Platz für den nächsten Flug nach Ulan Bator buchen zu lassen. Der hagere junge Chinese am Empfangsschalter, der seine Faszination für Schadrachs Hautfarbe nicht verbergen kann und ihn immer wieder anstarren muß, stellt fest, daß die nächste Maschine in zweieinhalb Stunden startet, und bedauert mit höflichen Worten, daß Schadrachs Aufenthalt in Peking von so kurzer Dauer ist.
    »Ich mußte meine Pläne ändern«, erwidert Schadrach. »Dringende Verpflichtungen zwingen mich, sofort zurückzukehren.«
    Er läßt seinen Blick durch die Hotelhalle wandern – einen weitläufigen, im Halbdunkel liegenden Raum, der nach Räucherstäbchen duftet und mit Sitzmöbeln aus Rattan, bemalten Wandschirmen, riesigen Porzellanvasen und Lackarbeiten auf Rosenholzfüßen vollgestellt ist – und erblickt die massige, zwei begleitende Chinesen überragende Gestalt Avogadros. Ihre Blicke begegnen einander, und Avogadro lächelt, nickt grüßend und wedelt mit der Hand. Wie es scheint, ist er gerade eingetroffen. Schadrach ist ganz und gar nicht überrascht, den Sicherheitschef hier in Peking zu entdecken. Es erscheint ihm nur folgerichtig und geradezu unausweichlich, daß Avogadro hier erscheint, um ihn persönlich zu verhaften.
    Als sie sich begrüßen, erwähnt keiner der beiden die Koinzidenz ihrer Anwesenheit in diesem Pekinger Hotel. Avogadro erkundigt sich liebenswürdig, wie ihm die Weltreise gefallen habe.
    »Ich habe viel gesehen«, sagt Schadrach. »Es war äußerst interessant.«
    »Ist das das beste Wort, was Ihnen dazu einfällt? Interessant? Nicht überwältigend, erhellend, außergewöhnlich oder fantastisch?«
    »Interessant«, wiederholt Schadrach mit beabsichtigter Nüchternheit. »Eine sehr interessante Reise. Und wie hat sich der Vorsitzende während meiner Abwesenheit gehalten?«
    »Nicht allzu schlecht.«
    »Er wird gut versorgt und gepflegt. Es gefällt ihm, sich einzubilden, ich sei unentbehrlich, aber das Aushilfspersonal ist durchaus fähig, mit allen normalerweise anfallenden Aufgaben fertig zu werden.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Aber er hat neuerdings Kopfschmerzen, nicht wahr?«
    Avogadro blickt ein wenig verdutzt. »Sie wissen das, nicht wahr?«
    »Ich bin hier gerade am Rand des telemetrischen Bereichs.«
    »Und da können Sie seine Kopfschmerzen ausmachen?«
    »Ich kann bestimmte kausale Faktoren wahrnehmen«, sagt Schadrach, »und von ihnen auf Kopfschmerzen schließen.«
    »Ein ungemein raffiniertes System«, sagt Avogadro bewundernd. »Sie und der Vorsitzende sind praktisch wie eine Person, finden Sie nicht? So, wie Sie jetzt miteinander verbunden sind. Er hat Schmerzen, und Sie fühlen es.«
    »Das ist gut ausgedrückt«, sagt Schadrach. »Ja, der Vorsitzende und ich sind eine Person, eine Informationen verarbeitende Einheit. Vergleichbar mit der Einheit, die aus dem Bildhauer, dem Marmorblock und dem Meißel besteht, wie Nicki Crowfoot es kürzlich ausdrückte.«
    Der Vergleich scheint Avogadro nicht zu beeindrucken, oder er hat gar nicht hingehört. Er fährt fort, das etwas starre, entschlossen liebenswürdige Lächeln zur Schau zu tragen, mit dem er Schadrach begrüßt hat.
    »Aber die Verbindung ist noch nicht eng genug«, fährt Schadrach fort. »Das System könnte noch wirksamer zusammengeschlossen werden. Ich habe vor, mit den Elektronikern über ein paar Veränderungen zu sprechen, sobald ich nach Ulan Bator komme.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Heute Abend«, sagt Schadrach. »Ich fliege mit der nächsten Maschine.«
    Avogadro zieht die Brauen hoch. »Tatsächlich? Wie praktisch. Das erspart mir die Mühe, Sie…«
    »Mich zur Rückkehr aufzufordern?«
    »Ja.«
    »Ich dachte mir, daß Sie mit so etwas herauskommen würden.«
    »Die Sache ist die, daß der alte Mann Sie vermißt. Er hat mich hergeschickt, daß ich mit Ihnen spreche.«
    »Natürlich.«
    »Und Sie ersuche, zurückzukommen.«
    »Er hat Sie geschickt, mich darum zu ersuchen? Er hat Ihnen nicht Anweisung gegeben, mich zu bringen? Nun, das ist eine angenehme Neuigkeit. Er hat Sie gebeten, mich zu ersuchen, ob ich zurückkehren würde!

Weitere Kostenlose Bücher