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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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was sie will.«
    »Und Sie kriegen einen Gratissatz Trinkgläser, wenn
Sie ausziehen. Das haben Sie nicht gewußt, was?«
    »Mit geschmackvoll eingravierten cortikalen
Diagrammen.« Caroline hatte das Gefühl, daß sie
möglicherweise gleich kotzen oder – schlimmer –
heulen würde. Bulriss drückte ihre Hand und zog einen
Vorhang um ihr Bett, womit er sie und Armstrong in einen Kokon
aus gelbem Plastik einschloß.
    Armstrongs Untersuchung war schnell und geschickt. Caroline
ertrug ihre leichten physischen Demütigungen schweigend. In
der strengen Gegenwart der schwarzen Frau verlor sie jedes
Bedürfnis zu weinen. Caroline beobachtete die langen,
schlanken Finger, geschmeidig wie die eines Musikers, und die
Knochen im Handgelenk, die sich unter der glänzenden Haut
drehten. Was warst du in deinen früheren Leben?
    »Sieht alles gut aus, Miss Bohentin. Hervorragende
Reflexe. Bitte setzen Sie sich für den Hirnscan auf.
Brauchen Sie Hilfe?«
    »Nein«, sagte Caroline. Sie hatte jahrelang keine
Brainies mehr genommen, hatte ihnen nach der Scheidung von
Charles abgeschworen. Die Ruhe fühlte sich wie etwas an, das
gleich jenseits von ihr verankert war, ein plumpes, zu weit von
der Pier entferntes Schiff, das im Grunde unbrauchbar war.
    Die Hirnscan-Geräte wurden hereingerollt. Wie kriegten
sie es bloß hin, daß die Räder so leise waren?
Sie fragte nicht. Sie ertrug es, daß ihr Kopf zehn Minuten
lang festgehalten wurde, ohne daß sie ihn bewegen konnte.
Dr. Armstrong und die Schwester waren genauso leise und
tüchtig wie die Maschinen. Caroline hätte gern
gewußt, was aus Sandy Ochs geworden war.
    Dann bekam sie ihren Körper wieder und lehnte sich in die
Kissen zurück. Armstrong und die Schwester gingen hinaus;
Bulriss kam mit dem Historiker zurück.
    »Haben Sie keine anderen Tests mehr, Doktor? Blutzucker?
Genetische Marker? Gedärm? Ich glaube, ich habe
Blähungen.«
    »Caroline, das ist Pater Patrick Martin Shahid. Er hat
das schon öfter gemacht, als Sie Blähungen hatten,
glauben Sie mir. Ich werde euch beide jetzt alleinlassen, aber
ich komme heute nachmittag noch mal, um nach Ihnen zu
sehen.«
    Sie hielt sich einen Moment lang an seinen Fingern fest
– wann hatte sie die wieder ergriffen? –, dann
ließ sie ihn los. Pater Patrick Martin Shahid zog sich
einen Stuhl an ihr Bett und setzte sich.
    Er war ein kleiner Mann, ein Inder oder Pakistani; Caroline
stellte fest, daß er ihr kaum bis zum Ohrläppchen
reichen würde, wenn er stand. Er trug einen förmlichen
Priesterkragen und einen teuren dunklen Anzug, dazu ein Kreuz und
eine Kette aus fein gearbeitetem Gold. Aber was ihre
Aufmerksamkeit erregte, waren seine Augen. In seinem glatten
braunen Gesicht waren sie von ganz weichem Schwarz, wie Asche
oder ein Pelz, mit einer stillen Intensität, in der nichts
Scharfes lag.
    »Miss Bohentin…«
    »Caroline«, sagte sie. Seine Stimme war leise und
höflich, ohne Akzent, aber sie wußte sofort, daß
er nicht in den Vereinigten Staaten geboren war. Er hatte etwas
Förmliches an sich, eine Zurückhaltung, die sie bei
einem katholischen Priester nicht erwartet hätte;
diejenigen, die sie bis dahin kennengelernt hatte, waren
größtenteils soziale Anführer störrischer
und immer kleiner werdender Grüppchen gewesen.
»Patrick Martin Shahid«? Was war das denn für
eine Mischung?
    »Caroline. Ich weiß, daß Sie an den
Vorbereitungskursen für die Operation hier teilgenommen
haben und darüber aufgeklärt worden sind, was sie in
etwa zu erwarten haben. Aber ich möchte Ihnen zuallererst
sagen, daß Aufklärung nicht dasselbe ist wie
Erinnerung. Lassen Sie sich nicht davon leiten, was man Ihnen
über die Erfahrungen anderer erzählt hat. Sie sollten
selbst bestimmen, woran und wie Sie sich erinnern wollen. Die
Zahl der Menschen, die sich der Operation zur Erschließung
früherer Leben unterzogen haben« – sie
registrierte, daß er weder >Eufeln< noch
>Karnies< sagte – »ist immer noch sehr klein.
Es wäre durchaus möglich, daß Ihre Erfahrungen
stark von denen der anderen abweichen.«
    »Könnte ich mich vielleicht daran erinnern,
daß ich ein Mann war?«
    »Das ist noch nie vorgekommen. Die Beständigkeit
des Geschlechts ist eine der größten
Überraschungen auf meinem Gebiet. Aber wer kann sagen, ob es
immer beständig sein wird? Was ich Ihnen jetzt zeigen
möchte, ist…«
    »Haben Sie sich operieren lassen?« Sie hörte
ihre Stimme:

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