Schädelrose
leckte
ihn ab. Seine Augen, nur Zentimeter von seinen entfernt, waren
von einem stumpfen, undurchdringlichen Schwarz.
Der Hund knurrte leise, tief in der Kehle, und zeigte einen
halben Zentimeter schimmernder weißer Zähne.
»Du hast die Wahrheit gesagt«, erklärte
Hutton; in seinem Ton lag Belustigung. »Sonst hätten
wir jetzt eine ganz schöne Schweinerei auf dem Parkett
gehabt. Heee, Abigail – heee!«
Der Hund wich dreißig Zentimeter zurück und legte
sich hin, ohne Robbie aus den Augen zu lassen. Er drehte den
Kopf, und die Schmerzen wurden sofort stärker. Hatton
saß lächelnd da.
»Weißt du, was der Ausdruck >un vrai
innocent< bedeutet, Robbie Brekke?«
»Ich kann’s mir übersetzen«, sagte
Robbie mürrisch. Bei Hattons Anblick kam ihm wieder die
Galle hoch. Unter dem Seidensaum des Hausmantels waren nackte,
dünne Beine übereinandergeschlagen.
»Sehr gut. Bißchen Französisch in Afrika
aufgeschnappt? Hab ich mir gedacht. Aber verstehst du die
religiöse Bedeutung des Ausdrucks?«
Robbie antwortete nicht.
»Aha. Wie ist es mit dem Sprichwort >Narren haben das
meiste Glück Jetzt bist du beleidigt, Robbie Brekke.
Aber du mußt das eine oder das andere sein, um dein
bemerkenswertes Ungeschick als Ganove mit der bemerkenswerten
Tatsache in Übereinstimmung zu bringen, daß über
dich keine offizielle Polizeiakte vorliegt. Wirklich eine reife
Leistung. All diese Gaunerstückchen, bei denen es nur auf
Charme und jugendliches Temperament ankommt, die so gut anfangen
und so trübselig enden. Du hattest das Glück des
Narren, daß du lebendig aus Liberia rausgekommen bist,
weißt du. Ich kenne Kwambe DeLucas. Sitz,
Abigail!«
Robbie drehte sich nicht zu dem Hund um. Hatton schlug seine
nackten Knie andersherum übereinander, das linke über
das rechte. Schale Gerüche drifteten über den
Boden.
»Zwei Jahre auf einem unbedeutenden College«, fuhr
Hatton fort. »Unbedeutend, aber wahr, nicht bloß eine
Datenfassade. Du kannst gut reden. Du lächelst gut. Du
kleidest dich mit dieser Schäbigkeit, die Frauen anziehend
finden. Und diese unfehlbare Unschuld darunter – Frauen
sind solche Gefühlsmenschen, Robbie Brekke, allesamt. Sie
sehnen sich nach Verständnis. Du gibst ihnen die Illusion,
daß sie verstanden werden.«
Robbie reckte den Kopf; Schmerz stach wie mit Bajonetten
hinter seine Augen.
»Ich hab dir gesagt, du sollst stilliegen. Du hörst
nicht zu, wenn man dir was sagt. Aber das ist kein so
großes Problem – es gibt viele Leute, die wissen, wie
man dafür sorgt, daß andere Leute sich merken, was man
ihnen sagt. Diese Leute können normalerweise nicht gut
reden, sie sind nicht charmant, und daß sie unschuldig
wären, kann man ihnen ganz bestimmt nicht
vorwerfen.«
Durch den Schmerz hinter seiner Stirn hindurch sagte Robbie:
»Sie wollen doch auf irgendwas raus. Spucken Sie’s
schon aus.«
»So ist es, in der Tat«, sagte Hatton. Er
bückte sich und langte über Robbie hinweg, um den Hals
des Hundes zu reiben. Robbie sah direkt über sich –
dreißig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt – den
gleichen Ausdruck, den Hatton schon früher im Gesicht gehabt
hatte, in der Tür zum Speisezimmer, den Ausdruck, der in ihm
den Eindruck erweckt hatte, daß der alte Mann mehr war als
ein Spießer. Der ihn auf die Idee gebracht hatte, daß
dies etwas war, ein Durchbruch, etwas Richtiges. Als er dort
gefesselt auf dem Boden lag, mit Hattons faltigem Hals über
sich, bewirkte die Erinnerung daran, daß Robbie sich wand.
Hatton pickte einen Floh aus dem Fell des Hundes, lehnte sich
zurück und zerdrückte den Floh zwischen den Fingern. Er
hielt Robbie den winzigen, toten Fleck hin, als ob es eine
Delikatesse wäre, und lächelte.
»Hast du schon mal eingehender über
Reinkarnationschirurgie nachgedacht, Robbie Brekke?«
Robbie hieb brutal auf sein Kissen ein und ließ sich
wieder darauf zurücksinken. Auf dem Korridor des zweiten
Stocks draußen vor seiner Tür war immer noch alles
ruhig. Was immer der minderbemittelte Sicherheitsdienst des
Instituts wegen des versuchten Raubüberfalls auf Elle
Watt-Davis zu unternehmen gedachte, sie würden es
anscheinend erst morgen tun.
Das Institut würde natürlich einem privaten
Polizeidienst angeschlossen sein. Nicht daß es etwas
ausmachte. Alles, was ein echter Polizeidienst über ihn
haben mochte – wenn es da überhaupt etwas gab –,
würde das Institut bereits im
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