Schäfers Qualen
überhaupt geläutet hatte.
„Ich hab das Auto gehört und da hab ich mir gedacht, dass Sie das sind. Kommen Sie herein.“
Schäfer trat ein, zog seine Schuhe aus und folgte ihr ins Wohnzimmer. Auf dem Esstisch standen zwei Tassen, eine Kaffeekanne, zwei Teller und ein Guglhupf. Sie bat ihn, sich zu setzen, und ging mit der Kaffeekanne in die Küche.
„Ich soll Sie vom Pfarrer schön grüßen lassen.“ Schäfer sah sich um. Auf dem Regal eines Einbauschranks stand ein Foto, auf dem sie mit einem Mann und einem kleinen, etwa fünfjährigen Jungen abgebildet war. Er nahm das gerahmte Bild aus dem Regal und sah es sich genauer an. Frau Obernauer blickte etwas verlegen in die Kamera, während ihr Mann lachte, als hätte der Fotograf eben einen wirklich guten Witz erzählt. Der Junge, dem seine Eltern jeweils eine Hand auf die Schultern legten, sah trotzig drein – vielleicht hatten ihm die beiden gerade einen wichtigen Wunsch abgeschlagen.
Frau Obernauer war mit der nun vollen Kaffeekanne ins Wohnzimmer zurückgekommen.
„Ja, da waren wir in der Wachau … mit dem Hansi.“ Sie stellte die Kaffeekanne auf den Tisch und setzte sich. Schäfer stellte das Bild zurück, lehnte die Papiertasche an ein Tischbein und setzte sich ebenfalls. Obwohl er keinen Hunger hatte, ließ er sich zwei Stück Guglhupf auf den Teller legen. Nachdem er die Hälfte des ersten gegessen hatte, wandte er sich an seine Gastgeberin.
„Frau Obernauer, wissen Sie, wo Ihr Sohn ist?“
Sie schaute ihn an, als wäre er nicht ganz bei Trost. „Natürlich weiß ich das, ich bin ja seine Mutter. In Salzburg, er arbeitet bei einer Firma für Computerirgendwas.“
„Könnten Sie ihn anrufen?“
„Jetzt?“, fragte sie erstaunt, was Schäfer mit einem Nicken beantwortete.
Sie stand auf, ging zum Kästchen, auf dem das Telefon stand, blätterte in einem Adressbuch und tippte die Nummer ein.
„Hallo … Ja … Nein, da ist ein Kommissar da, der will was von dir wissen, weißt schon, wegen dem Krassnitzer und … Ja, ich geb ihn dir.“
Sie hielt Schäfer, der mittlerweile neben ihr stand, den Hörer hin und setzte sich wieder an den Tisch.
„Grüß Gott Herr Obernauer, Major Schäfer von der Kriminalpolizei. Ich untersuche die Mordfälle Steiner, Krassnitzer und Gasser. Dabei bin ich auch auf Ihren Vater gestoßen und … Natürlich nicht … Das ist Routine, wie man so schön sagt … Wir müssen miteinander sprechen, je eher, desto besser. Sind Sie am Wochenende hier oder … Gut … Ich rufe Sie morgen gegen Mittag an … Können Sie mir noch Ihre Nummer geben? … Moment … Ja, ich schreibe mit … Danke … Mache ich.“
Schäfer legte den Hörer auf und setzte sich wieder an den Tisch. Frau Obernauer sah ihn missmutig an.
„Das ist mein Beruf“, rechtfertigte er sich, „Ihr Mann hat zumindest mit einem der Toten zu tun gehabt und deshalb muss ich mit Ihnen und Ihrem Sohn reden. Wäre es Ihnen lieber, wenn die Polizei sich vor ihrer Arbeit drückt und nur macht, was ihr gefällt?“
Sie sah ihn an, nahm die Kaffeekanne und schenkte ihm nach.
„Entschuldigen Sie, ich weiß eh, dass Sie das machen müssen. Ist nur so, dass der Hansi … es war schwierig genug damals für ihn … er war ja noch ein Kind, als der Gerhard …“
Sie stand abrupt auf und ging aus dem Raum. Schäfer fühlte sich unbehaglich und wusste nicht, ob er ihr nachgehen sollte oder nicht. Als sie wenig später zurückkam und sich an den Tisch setzte, hatte sie sich wieder gefangen.
„So, was wollen Sie denn alles wissen?“, fragte sie ihn mit einem bemühten Lächeln.
Schäfer zögerte, nahm einen Schluck Kaffee und sah Frau Obernauer in die Augen.
„Warum hat sich Ihr Mann umgebracht?“
„Das frage ich mich jetzt schon seit fast zwanzig Jahren … ich weiß es nicht.“
„Hat Ihr Mann an Depressionen oder sonst einer Krankheit gelitten?“
„Nein, der Gerhard hat gern gelebt. Unbeherrscht war er halt, aber mir und dem Buben hat er nie was getan, das müssen Sie wissen.“
„Wissen Sie, dass Ihr Mann eine ganze Reihe von Anzeigen bekommen hat?“
„Ja ja, das war früher, da ist er ein Draufgänger gewesen, und wenn es zum Raufen gekommen ist, dann war er halt immer der Stärkere, Kraft hat er ja gehabt wie ein Holzarbeiter.“
„Woher hat Ihr Mann die Pistole gehabt?“
„Das weiß ich nicht. Ich hab mich danach schon ein paar Mal gefragt, ob er mir irgendwas verheimlicht hat, aber das glaub ich nicht. Ich verstehe das immer noch
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