Schaenderblut - Thriller
die Fragen der Polizisten nach seinem Studenten Joseph Miles.
»Sie sagen, er sei besessen von Serienmördern? Woher wollen Sie das so genau wissen? Ich meine, Ihre ganze Veranstaltung beschäftigt sich mit Serienmördern. Das Gleiche könnte man also von Ihnen oder jedem anderen Kursteilnehmer behaupten.«
Detective Montgomery war ein großer athletischer Schwarzer mit kurzem Afroschnitt und langen Koteletten. Er trug einen mittellangen Ledermantel und eine dunkle Sonnenbrille, die er beim Sprechen gern auf die Nasenspitze schob, damit er seinem Gesprächspartner über den Rand der Brille hinweg in die Augen schauen konnte. Er sah aus wie ein Überbleibsel aus einem 70er-Jahre- Blaxploitation-Film – wie ein Shaft für Arme. Doch in seinen Augen lag ein todernster Ausdruck und er sprach in knappen, klaren Sätzen wie ein Nachrichtensprecher oder Politiker. Nicht in dem nuschelnden Slang, den man aufgrund seiner Frisur hätte unterstellen können.
Bei seinem Partner handelte es sich um einen Latino mittleren Alters in einem Nadelstreifenanzug, der aussah, als hätte jemand einen Burger darauf gebraten. Die wenigen Haare, die auf seinem Schädel verblieben waren, hatte er zu einem gerade mal daumenlangen Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Er wirkte eher wie ein Mafioso als wie ein Cop. Er schüttelte keine Hände und stellte sich auch nicht vor, als sie hereinkamen, sondern ging sofort zu den Bücherregalen an der Wand und überflog die Titel der einzelnen Bände.
Professor Locke behielt den schmierig wirkenden Polizisten im Auge, während er auf Detective Montgomerys Fragen antwortete.
»Also, was unterscheidet diesen Jungen vom Rest Ihres Kurses?«, hakte der Detective geduldig nach.
»Joseph nahm alles sehr persönlich. Sobald man andeutete, dass diese Leute verrückt oder böse sein könnten, wurde er sehr abweisend, fast schon feindselig. Er verfolgte eine Theorie, wonach ein Virus für die Entstehung sexuell motivierter Straftaten verantwortlich ist.«
»Und was halten Sie davon?«
»Das ist blanker Unsinn. Aber ich wollte den Jungen nicht entmutigen, also ermutigte ich ihn, zu seiner Theorie weitere Nachforschungen anzustellen. Ich versprach, wenn er auf stichhaltige Beweise stieße, würde ich ihm für den Kurs eine gute Note geben.«
»Ob die Tötung der Bibliothekarin ebenfalls zu seinen Nachforschungen gehörte?«, meldete sich Detective Volario zu Wort und schaltete sich damit erstmals in die Unterhaltung ein.
Der Professor warf ihm einen verärgerten Blick zu und schüttelte den Kopf, als spräche er mit einem dummen, quengeligen Kind.
»Das ist eine sehr extreme Unterstellung. Niemand tötet, um eine gute Zensur zu bekommen. Man tötet, weil man schwere psychische Probleme hat.«
»Sie halten ihn für verrückt?«
»Juristisch gesehen nicht. Zumindest müsste man ihn dazu genauer untersuchen. Aber selbst wenn er unschuldig ist – und vergessen Sie bitte nicht, dass das durchaus der Fall sein kann –, würde ich ihm ungern im Dunkeln begegnen. Er schleppt eine Menge Probleme mit sich herum.«
»Sie tun gerade so, als hätten wir vor, ihn zu lynchen«, grinste Volario. Er hielt einen schweren Wälzer mit dem Titel Eine Kriminalgeschichte der Menschheit in der Hand. »Lesen Sie das alles, Professor?«
»Aus keinem anderen Grund besitze ich diese Bücher«, gab Locke zurück.
»Dann ist es wohl kein Wunder, dass Sie eines dieser Monster angelockt haben.«
Der Professor ignorierte ihn. »Haben Sie sonst noch Fragen, meine Herren?«
»Nur noch eine. Sind Sie seiner Theorie nachgegangen, dass ein solches Serienmördervirus existiert?«
»Nein. Wenn er mit einer etwas apodiktischeren These zu mir gekommen wäre, hätte ich ihm mehr Glaubwürdigkeit zugestanden, aber was er vorschlug, war schlichtweg absurd.«
»Apodiktisch? Was bedeutet das? Ich habe keinen Collegeabschluss, Professor. Sie müssen es für mich etwas verständlicher formulieren.«
Professor Locke verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte.
»Es bedeutet: nachweislich wahr.«
»Und trotzdem behauptete er, der lebende Beweis für seine Theorie zu sein?«
»Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass er möglicherweise von sich selbst sprach. Ich ging davon aus, dass er lediglich eine generelle Vermutung anstellte.«
Detective Montgomery trat näher an den Professor heran, bis der Mann seinen Atem im Gesicht spürte.
»Das ist seltsam, Professor, denn alle Studenten, mit denen wir gesprochen haben, behaupten
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