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Schängels Schatten

Titel: Schängels Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Freunde geworden sind.«
    Mike nickte. »Wir sind Freunde geblieben.«
    »Genau. Und wenn wir das zusammen durchziehen, bleiben wir für immer welche.«
    »Und im anderen Fall?«
    »Wer weiß?«
    Carola rollte langsam in den dämmrigen Flur hinein. Mike schloss hinter ihr die Haustür und ging den nächtlichen stillen Burgweg hinunter.
     
    Ein paar Minuten später stand er an der Moselbrücke, und ihm war, als sei alles gestern passiert. Erst nach und nach fielen ihm ein paar Veränderungen auf. Die Anlegestelle der nicht mehr vorhandenen Fähre war nun mit Pfählen abgesperrt, und neben der Brücke, genau dort, wo sie damals an den Fluss gelaufen waren, um den verdächtigen Geräuschen nachzugehen, stand ein kleines Toilettenhäuschen. Offenbar hatte man bei der KEVAG dazugelernt. Auf die Steine des ersten Pfeilers neben der Straße hatte jemand mit weißer Farbe »SPD« geschrieben. Mike fiel ein, dass es diese Aufschrift schon vor zwanzig Jahren gegeben hatte.
    Jetzt, wo er in Ruhe über Carolas Vorhaben nachdenken konnte, kam ihm das Ganze völlig irrsinnig vor. Er konnte sich nicht vorstellen, unter die Detektive zu gehen und eine Mordgeschichte aufzudecken. Das war vielleicht Carolas Sache, seine nicht.
    Aber in der Nacht damals hatte er auch nicht damit gerechnet, dass die Besteigung des Denkmalsockels gelingen würde, dachte er. Und Carola hatte es geschafft. Trotz ihres Unfalls, trotz der vielen Schwierigkeiten hatte sie ein Studium absolviert und arbeitete in ihrem Job. Sie ließ sich nicht unterkriegen. Selbst jetzt, wo ihre Ehe am Ende war.
    Und ich habe noch nicht mal das Abi geschafft, dachte Mike. Zur Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule bin ich nicht erschienen. Nur aus Angst, durchzufallen.
    Riskier endlich mal was, Michael. Mit diesem Satz hatte sie den Kern getroffen.
    Mike hob einen Stein auf und warf ihn in das dunkle Wasser. Die Lichter, die sich auf der Fläche spiegelten, platzten auseinander.
    Was habe ich denn zu verlieren?, fragte er sich. Eigentlich nichts. Ich würde Carola helfen, und wir würden reich werden. Und wenn nicht, geht alles so weiter wie bisher. Das ist das Schlimmste, was passieren kann.
    Plötzlich kam ihm ein anderer Gedanke. War er nicht sogar moralisch verpflichtet, Carola zu helfen?
    Merkwürdige Idee, fand er. Er war zu gar nichts verpflichtet. Aber andererseits bemühte sie sich so sehr. Er stellte sich vor, wie es wäre, wenn er jetzt einfach nach Hause fahren würde. Er käme sich wie ein Schuft vor. Er konnte sie mit diesem ganzen Kram nicht allein lassen. Er musste ihr eine Chance geben. Und sich selbst auch. Immerhin war es die zweite Möglichkeit, an das Geld zu kommen. Wer hatte schon so viel Glück, zwei Chancen zu bekommen? Zwei Chancen! Du bist ein Glückspilz, sagte er sich.
    Warum fühlte er sich dann nicht wie einer?
    Ab und zu kam ein Wagen vorbei, die Stille danach war noch intensiver. Mike bekam plötzlich Lust, Musik zu hören. Sein Discman und ein paar CDs waren in seinem Gepäck, das sich immer noch im Wagen befand.
    Er ging neben der Brücke den Fußweg hinauf. Noch bevor er an der Einmündung angekommen war, bemerkte er einen immer heller werdenden Lichtschein. Ein Wagen kam aus dem Burgweg herausgeschossen, überquerte die Bahnlinie und verschwand in Richtung Moselweiß. Dann war wieder alles ruhig. Da hat es aber jemand eilig, dachte Mike.
    Langsam ging er weiter. Die Straße war völlig still. Als er an Carolas Haus angekommen war, holte er seine Tasche aus dem Wagen, schloss die Haustür auf und betrat den kleinen Flur. Er tastete nach dem Lichtschalter. Eine Neonleuchte flackerte auf. Ungemütlich, dachte Mike.
    Sein Blick fiel auf den Eingang des Arbeitszimmers, in dem er mit Carola gesprochen hatte. Die Tür stand halb offen, und es brannte Licht. Mike sah in dem schmalen Ausschnitt ein Stück beleuchtete Raufasertapete und darauf einen schmalen, scharfen Schatten. Er ging bis ans Ende durch, stellte die Reisetasche ab und blickte in den Raum.
    Carola saß hinter ihrem Schreibtisch, von einer Stehlampe beleuchtet. Ihre Hände bedeckten die Tastatur. Ihr Kopf war auf der Lehne des Rollstuhls zur Seite gesunken. Über dem Ohr war ein glänzender, dunkler Fleck zu sehen, von dem etwas bis hinunter auf den Hals gelaufen war. Ihre Augen waren weit aufgerissen und starrten Mike an. Der Blick war voller Angst.
    Als hätte Carola gehofft, dass Mike jeden Moment zur Tür hereinkäme, um ihr zu helfen.

3
    Er war wie vom Donner gerührt. Dann

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