Schängels Schatten
gehört?«
»Nein.«
»Wie ging es weiter?«
Mike berichtete, wie er in die Wohnung kam und Carola fand.
»Wer hat Ihnen denn die Tür aufgemacht?«
»Carola hatte mir einen Schlüssel gegeben. Sie sagte, sie würde schlafen gehen.«
»Was ist mit dem Schlüssel passiert?«
»Ich glaube, ich habe ihn stecken lassen. Oder im Arbeitszimmer irgendwo hingelegt.«
Wieder schrieb der Kommissar.
»Gut. Weiter«, sagte Nickenich. »Als Sie ins Arbeitszimmer kamen und die Tote fanden – hatten Sie da den Eindruck, dass etwas anders war als vorher? Fehlte etwas, oder war etwas sonst irgendwie verändert?«
»Das Fenster war offen«, sagte Mike. »Außerdem war das Telefon nicht angeschlossen. An der Buchse steckte der Computer. Ich musste alles erst umstöpseln, damit ich Hilfe holen konnte. Und dann habe ich Sie angerufen.«
»Warum waren Sie nicht auf der Straße, als die Beamten kamen? Sie hatten gesagt, Sie wollten auf der Straße warten.«
Mike zuckte mit den Schultern. »Mir war plötzlich schlecht geworden. Ich musste mich einen Moment auf den Boden setzen. Als ich dann den Wagen hörte, habe ich mich zusammengerissen und bin rausgegangen.«
Es klopfte, und ein uniformierter Polizist kam herein. Wortlos legte er Nickenich eine Akte vor und ging wieder.
Der Hauptkommissar begann zu blättern. »Das macht die Sache auch nicht leichter«, sagte er.
Mike spürte plötzlich, dass er durstig war. »Entschuldigen Sie – hätten Sie vielleicht was zu trinken für mich?«
»Sie können jetzt sowieso gehen. Das hier ist die Schmauchspurenanalyse Ihrer Hände. Wir wissen jetzt, dass Sie keinen Schuss abgegeben haben.«
»Haben Sie mich deshalb so lange dabehalten? Weil Sie mich verdächtigt haben?«
»Wir müssen jeder Möglichkeit nachgehen. Besitzen Sie Handschuhe?«
»Nein, aber … Ist sie denn tatsächlich erschossen worden?«
Der Hauptkommissar nickte. »Wahrscheinlich von draußen. Durch das offene Fenster. Ich kann nur hoffen, dass wir weitere Spuren in ihren Unterlagen finden. Im Computer und so weiter.«
Mike sagte nichts.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte Nickenich. »Fahren Sie wieder zurück nach Düsseldorf?«
»Ich weiß nicht«, sagte Mike. »Aber ich denke schon. Wahrscheinlich. Was soll ich hier noch.«
Nickenich stand auf. »Falls wir noch Fragen haben, wissen wir ja, wo wir Sie erreichen können.«
Er brachte Mike zur Tür. »Ach ja«, sagte er. »Wenn Sie möchten, bringt Sie ein Streifenwagen zum Burgweg. Dort ist ja Ihr Wagen.«
Mike fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Unten auf dem Parkplatz warteten bereits zwei Uniformierte, die ihm die Tür eines Polizeiwagens öffneten. Mike stieg ein und setzte sich auf die Rückbank.
Der Wagen fuhr an. Mikes Hände waren immer noch feucht vom Schweiß. Er wischte über seine Hose und spürte etwas in der Hosentasche. Er brauchte nicht danach zu tasten, um zu wissen, was es war. Was da kniff, war der kleine gelbe Block von Carolas Schreibtisch, den er mitgenommen hatte.
Mike stieg in seinen Wagen und fuhr voller kreisender Gedanken ziellos kreuz und quer durch das nächtliche Koblenz. Irgendwann verschlug es ihn auf die B 9, wo er ohne groß darüber nachzudenken auf die Autobahn Richtung Köln abbog.
Du kannst nach Hause fahren und alles vergessen. Das hatte Carola gesagt.
Oder du kannst die zweite Chance nutzen, um an das Geld zu kommen, sagte er sich.
Du hast dich entschieden, mitzumachen. Aber jetzt …
Mike fuhr und fuhr, während sich die Gedanken immer weiter drehten. Schließlich bog er in eine Tankstelle ein. Der Morgen dämmerte bereits. Die Luft war noch kühl und frisch, aber voller Verheißung auf einen heißen Sommertag. Mike schob den Stutzen in die Tanköffnung und ließ den Sprit fließen.
Natürlich hatte er sich entschieden. Aber jetzt sah alles ganz anders aus. Mike spürte plötzlich, wie eine bleierne Müdigkeit von ihm Besitz ergriff. Er zahlte das Benzin und lenkte den Wagen auf den Parkplatz.
Lkws rangierten schwerfällig aus den Parktaschen und schoben sich dröhnend in Richtung Autobahn. Mike sah ihnen eine Weile teilnahmslos zu, bis er in einen unruhigen Schlaf fiel.
Irgendetwas in seinem Traum erschreckte ihn so sehr, dass er zusammenzuckte und schlagartig wach wurde. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er eine gute halbe Stunde lang eingenickt war. Er kurbelte das Seitenfenster herunter und ließ frische Luft hinein. Dann griff er in die Hosentasche und holte das gelbe Blöckchen hervor.
Es
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