Schängels Schatten
das sich »Allerlei-Shop« nannte und vor dem aufgeklappte Poster Sonderangebote für Foto- und Elektronikwaren anpriesen, ragte eine Markise in das Laub zweier Bäume. Darunter standen runde Tische mit roten Tischdecken aus Kunststoff. An einem davon saß das Mädchen – vor sich ein Sektkühler, aus dem eine grüngoldene Flasche ragte. Daneben stand ein hohes Glas mit einer perlenden Flüssigkeit.
»Ich war gespannt, ob Sie kommen«, sagte sie.
Mike ließ sich nieder.
»Was trinken Sie denn da?«, fragte er.
»Das ist Champagner. Wenn Sie nett sind, gebe ich Ihnen ein Gläschen ab. Sie erinnern sich ja sicher an unseren Deal: Sie laden mich ein.«
»Was kostet der?«, fragte Mike.
»Bloß hundertdreißig Euro«, sagte sie seelenruhig. »Es ist der teuerste, den sie haben.«
Mike erkämpfte sich ein unbeteiligtes Pokerface. »Ich glaube, für mich tut’s auch ein Cappuccino.« Er winkte dem Kellner und bestellte. »Gibt’s hier auch was zu essen?«
»Baguette«, empfahl der Kellner, und Mike orderte eins mit Käse und Schinken. »Was hätten Sie denn gemacht, wenn ich nicht gekommen wäre?«, fragte er.
»Ich hab’s drauf ankommen lassen.«
»Sie scheinen ja bei Wood gut zu verdienen.«
»Ich liebe das Risiko. Schlimmstenfalls wäre eben ein Wochenverdienst draufgegangen.«
Mike nickte, und sie trank einen Schluck. »Was genau machen Sie als Pianist?«, fragte sie. »Sind Sie Solist?«
Mike musste unwillkürlich lächeln. »Das kann man so sagen. Ich trete jeden Abend auf und habe sogar ein Stammpublikum.«
»Tatsächlich? Sind Sie berühmt? Ich meine, müsste ich Sie kennen?«
»Das müssen Sie selbst beurteilen.«
»Wo spielen Sie denn so?«
»Immer in demselben Konzertsaal.«
Sie lehnte sich zurück, ihr Gesicht, das eben noch so etwas wie Staunen ausgedrückt hatte, wirkte abschätzig. »Sie nehmen mich auf den Arm.«
»Keineswegs.«
»Ach.« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Jetzt weiß ich’s. Sie sind Barpianist.«
Mike nickte nur.
»Warum nicht?«, meinte sie. »Auch eine Art, sein Geld zu verdienen. Es gibt Schlimmeres.«
»Danke für die Blumen.«
»Aber Sie spielen den Leuten doch sicher nicht so was wie das italienische Konzert‹ von Bach vor, oder?«
»Wenn es jemand wünscht, schon.« Und wenn ich es hinkriege, fügte er innerlich hinzu. »Das kam aber noch nicht vor. Manchmal schmuggle ich ein bisschen Debussy in mein Programm. Es gibt Leute, die halten seine Préludes für ganz ausgefallene Jazznummern.«
Sie lachte. »Nicht schlecht. Das muss ich mir für meine Schüler später merken.«
Der Kellner kam ziemlich flott, wahrscheinlich angesichts der Champagner-Bestellung, die seinen Umsatz in die Höhe schnellen ließ. Er brachte Mikes Cappuccino und das Baguette.
»Entschuldigen, Sie Frau …«, fing Mike an.
»Nennen Sie mich Daniela.«
»Ich heiße Mike. Entschuldigen Sie, aber ich hab’s etwas eilig und würde schnell zur Sache kommen …«
»Was wollen Sie wissen?«
Er griff in die Hosentasche, holte den Internetausdruck hervor und zeigte Nairs Bild.
»Zunächst mal, ob dieser Mann bei Wood aufgetaucht ist. Wie gesagt – ich kenne seine Tochter, und sie hat mir erzählt, er sei plötzlich von Amerika aus aufgebrochen. Nun macht sie sich Sorgen. Der Mann geht auf die achtzig zu.«
»Warum sagt Ihnen Wood nicht selbst was darüber?«
»Ich habe keine Ahnung, wie ich an ihn herankommen soll.«
»Kann Ihnen diese Tochter da nicht helfen?«
Mike schüttelte den Kopf. Er nahm das Baguette und biss hinein.
»Wood ist nicht leicht zu kriegen«, fuhr sie fort. »Ich arbeite jetzt schon fast ein Jahr da, aber ich bekomme ihn kaum zu Gesicht. Tagsüber ist er wohl in seiner Firma. So genau weiß ich das nicht.«
»Was für eine Firma ist das denn?«, fragte Mike kauend.
»Was Amerikanisches. Sie heißt ›Peaceforce Dynamics‹.«
»Klingt wie Greenpeace oder so was.«
»Ganz falsch. Die Firma stellt militärische Waffensysteme her. Ich habe einen Kommilitonen, mit dem ich jedes Mal in eine Diskussion darüber gerate.«
»Warum?«
»Weil ich für jemanden aus dieser Firma arbeite. Immerhin machen die Geschäfte mit dem Krieg. Davon muss man nicht auch noch profitieren.«
Mike kratzte sich am Kopf. »Ist das nicht etwas übertrieben? Sie halten ja nur die Räume sauber.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Der Freund von mir sagt: Irgendjemand muss ja mal anfangen mit dem Boykott. Und wenn es nur auf dieser Ebene ist.«
»Das juckt so jemanden
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