Schängels Schatten
haben für so was einen schönen Ausdruck. Sie nennen es ›Fire and Forget‹. Man schießt und kümmert sich nicht weiter drum.«
»Das ist ja furchtbar.«
»Die Gimlet kann das in Ansätzen auch, soweit ich weiß. Aber längst nicht so perfekt.«
»Wo kann man so eine Gimlet bekommen?«
»Wollen Sie etwa eine kaufen?«
»Nein, es interessiert mich nur.«
»Es ist sowieso kein großes Geheimnis. Da der Warschauer Pakt so was in seinen Beständen hatte, sind etliche davon auf dem Schwarzmarkt gelandet. Viele Angehörige der russischen Armee verkaufen Militärbestände, weil sie keinen oder zu wenig Sold kriegen. Kann ich sonst noch was für Sie tun? Ich habe wenig Zeit.«
Mike fiel etwas ein. »Ob so was wie die Gimlet auch im Irak zum Einsatz kam?«
Hanno Hauschild gab ein Schnaufen von sich. »Spatzenschleudern haben sie da kaum benutzt, denke ich.«
*
Er ist eine knappe Stunde gegangen, aber es kommt ihm vor, als sei er schon den ganzen Tag zu Fuß unterwegs. Was ihn durchhalten lässt, sind die Industrieansiedlungen, die immer näher kommen.
Eine Industrieansiedlung bedeutet Menschen. Und Menschen bedeuten Verkehrsmittel.
Ab und zu brausen Autos vorbei. Einmal sogar ein Polizeiwagen, aber man nimmt keine Notiz von ihm.
Der alte Mann erreicht ein Autohaus, auf dem in großen Lettern »TOYOTA« steht, in einem anderen Gebäude werden Möbel verkauft. Er ist erleichtert, als er ein Schild sieht, auf dem »Zum Bahnhof« steht. Dieses Wort kennt er.
Dann trifft er auf etwas Bekanntes: zwei hoch gereckte gelbe Bögen, die ein stilisiertes »M« darstellen. Erfühlt sich ein bisschen wie zu Hause, obwohl er sich kaum daran erinnern kann, wann er diese Restaurantkette zum letzten Mal besucht hat.
Er genehmigt sich ein kleines Menü und beobachtet die anderen Gäste. Seine Tochter hat erzählt, in Europa würde die Fast-Food-Kultur als etwas Degeneriertes betrachtet. Und man würde sie ablehnen. So, wie die drei Jugendlichen am Nachbartisch die Hamburger in sich hineinstopfen, ist von Ablehnung nichts zu spüren.
Der alte Mann verlässt das Restaurant und folgt weiter dem Bahnhofsschild. Es führt ihn durch einen Vorort zu einem weißen, heruntergekommenen Gebäude, auf dem der Name der Station steht. Mayen-Ost.
*
Mike hatte sich verabschiedet, die Zeche bezahlt und war gegangen. Als er auf dem Dach des Kaufhof-Parkhauses in sein Auto stieg, schien die Welt um ihn herum zu schwanken. Irgendetwas war mit seinem Kreislauf nicht in Ordnung.
Während er durch die Röhren kurvte, fiel ihm ein, dass er gar nicht mehr an Anita gedacht hatte. Er musste noch mal versuchen, sie zu erreichen. Aber was sollte er machen, wenn sie sich wieder nicht meldete? Und wenn sie immer noch nicht in ihrem Restaurant aufgetaucht war? Er fädelte sich in den Verkehr ein. Die Autobahn war ausgeschildert.
Nair hatte ganz offensichtlich etwas mit illegalem Waffenhandel zu tun. Anscheinend war er nach Wiesbaden gekommen, um sich mit diesem Wood Gimlets oder Iglas anzusehen oder sogar zu kaufen.
Wie musste man sich einen solchen Handel vorstellen? Wie im Krimi? Ein Käufer nimmt Kontakt mit Anbietern auf, trifft sich mit ihnen hinter irgendeiner düsteren Fabrikhalle, wo er soundso viele Kisten mit Waffen übergeben bekommt? Der Käufer hat dann ein paar Millionen Dollar in bar dabei und der andere die Ware?
Warum nicht? Und manchmal fanden solche Geschäfte nicht in düsteren Fabrikhallen, sondern nachts auf Brücken statt. Und es konnte bei so was Streit geben. Und jemand kam bei so einem Streit ums Leben …
Wie prüfte der Käufer eigentlich die Ware? Gab es da so eine Art Garantie? Konnte es nicht passieren, dass der Anbieter in eine Falle gelockt und um sein Geld erleichtert wurde?
Natürlich kann das passieren, sagte sich Mike. Und das passiert garantiert nicht nur in Krimis.
Und das hieß, vor zwanzig Jahren war so was vermutlich auch passiert. Nur dass das Opfer das Geld mit in die Mosel genommen hatte. Wo zwei Siebzehnjährige es dann fanden.
Welche Rolle konnte Ramann dabei gespielt haben? Kurz vor seinem Tod hatte er seinen Vater besucht. Seinen Vater, der sich nie um ihn gekümmert hatte. Ramann war Soldat gewesen. Ramann hatte kurz vor seinem Tod ein Foto von dem Denkmal-Schrott nach Amerika geschickt. Und warum? Als Eintrittskarte. Er wusste, dass sein Vater sich für das Denkmal und dessen Geschichte interessierte. Wenn Ramann eine Information darüber bieten konnte, kam er leicht an seinen Vater heran. Um
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