Schärfentiefe
kritiklos bewundert, ohne je zu zweifeln. Für ihn war Urban immer ein toller und erfolgreicher Kerl, ein Draufgänger gewesen, der seinem eigenen, grauen Dasein Farbe verliehen hatte.
Frau Wex hatte Urban aus anderen Gründen glorifiziert und würde nie und nimmer etwas über ihn kommen lassen. Auch wenn Beweise auf dem Tisch lägen, dass er ein Scheusal gewesen war, würde sie das nicht akzeptieren. Ganz nach dem Motto: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
„Jetzt habe ich die Fotos auf dem Tisch liegen lassen“, ärgerte sich Paula. Das war es dann wohl, denn nach dem heutigen Abend hatte sie keine Lust auf einen nochmaligen Besuch bei Blesch.
„Du vielleicht. Aber ich nicht.“
Ada zog das Kuvert aus der Tasche.
„Aber das Beste hast du noch nicht gesehen.“
Als Paula den Umschlag öffnete, glaubte sie, ihren Augen nicht zu trauen: Da lag obenauf das Foto, das Urban, Blesch und Krein mit dem Fisch zeigte, im Hintergrund das blonde Mädchen.
„Während ihr in der Küche Tee gekocht habt, überkam mich der Drang, mir das Foto für eine Weile auszuborgen.“
Jetzt erst verstand Paula Adas Augenzwinkern und ihr Grinsen.
„Ada, du bist unmöglich. Mit deinen kleptomanen Anfällen und deinen Fertigkeiten bei Einbrüchen wirst du uns noch mal in Teufels Küche bringen. Aber – du bist super. Danke.“
Ada brachte Paula nach Hause. Als sie ausstieg, sah sie in einiger Entfernung einen BMW, der jenem ähnelte, den sie vorhin vor Urbans Atelier gesehen hatte. „Das ist ja lächerlich“, schalt sie sich und ging kopfschüttelnd ins Haus. Es gab sicher hunderte Wagen dieses Typs und dieser Farbe in einer Stadt wie Wien. Ihre blühende Fantasie ging ihr manchmal gehörig auf die Nerven. Höchste Zeit, dass sie diese wieder in geregelte Bahnen brachte und begann, Geschichten zu schreiben.
4.
Als Paula in die Wohnung kam, traute sie ihren Augen nicht. Da saß doch wahrhaftig Markus im Wohnzimmer und sah fern. Auf dem Tisch stand ein wunderschöner Strauß Blumen und noch verpackt in Warmhaltegeschirr Tagliatelle in Lachssauce und Tiramisu von ihrem Lieblingsitaliener. Markus hatte ihr nicht gesagt, dass er kommen würde.
„Hallo, mein Liebling. Ich hoffe, du freust dich, dass ich da bin? Nachdem ich heute schon den ganzen Tag erfolglos versucht habe, dich am Handy zu erreichen, habe ich mir gedacht, ich schaue auf gut Glück vorbei. Dein Mitbewohner war so nett mich hereinzulassen.“
Als Markus das Handy erwähnte, fiel Paula erst auf, dass es seit dem Seminar kein einziges Mal geläutet hatte. Als sie es hervorkramte, sah sie, dass sie wieder vergessen hatte, es auf laut zu schalten.
Paula hatte kein schlechtes Gewissen. Das mit dem Handy war Pech, aber nun war ja alles wieder perfekt. Ihr Magen knurrte. Außer dem Apfelstrudel bei Blesch hatte sie den ganzen Tag nur einige der Brötchen gegessen, die in den Seminarpausen angeboten wurden. Da kamen die Tagliatelle gerade recht. Kurz in die Mikrowelle, und schon saßen sie gemeinsam in der frisch ausgemalten Küche am schön gedeckten Tisch bei Kerzenschein und aßen zu Abend. Zwar hatte sie auch heute nicht selbst gekocht, aber das würde schon noch werden. Markus sah ihr zu, wie sie sich die Nudeln schmecken ließ.
„Weißt du, dass ich total vernarrt in dich bin?“
Paula blieben die Nudeln im Hals stecken. Nichts in dieser Art, noch dazu so ernst gesagt, hatte sie sich von Markus erwartet.
„Weißt du, dass die letzten Wochen die fabelhaftesten waren, die ich je mit einer Frau erlebt habe? Du bist so fröhlich, so sexy, so interessant und so selbständig.“
Was war los? Was für ein verrückter Tag! Natürlich war sie vernarrt in ihn und natürlich genoss sie die Zeit mit ihm. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann wären sie noch viel öfter als bisher zusammen. Jeden Tag, am besten von null bis null Uhr. Das Leben konnte herrlich sein, und mit vollem Magen sah die Welt überhaupt ganz anders aus. Und dann noch das Dessert nach dem Dessert …
An seiner Elf-Uhr-Regel wollte er dennoch nicht rütteln. Aber Paula war zuversichtlich, dass sich auch das mit der Zeit ändern würde. Im Vorzimmer hörte sie Kurt rumoren.
„Wann nimmst du mich endlich in deine vier Wände mit?“
„Paula, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass ich in einer kleinen Bude lebe und mein Mitbewohner ein richtiges Ferkel ist. Überall lässt er sein Zeug liegen. Das ist mir peinlich. Bei dir ist es viel romantischer.“
„Aber das ist mir doch egal. Ich
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