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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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mancher Pädagogen ausließ und auch nicht mit Beispielen aus Paulas Schule sparte. Leider stellte sich dann heraus, dass diese Dame, mit der sie sich so wunderbar amüsiert hatte, Paulas neue Deutschlehrerin war. Glücklicherweise hatte Paula nie Probleme in dem Fach, aber es verging von da an kaum eine Stunde, in der die Professorin nicht eine ätzende Bemerkung machte in der Art, dass sie hoffe, dass Paulas Mutter mit ihren pädagogischen Fähigkeiten zufrieden sei.
    „Frau Ender?“, Frieda Dietl unterbrach ihre Gedankenkette.
    „Entschuldigen Sie, ich war kurz abwesend. Ja, ich schreibe an einer Biografie über den Fotografen und wollte Sie fragen, ob Sie mir etwas über ihn erzählen können?“
    „Gerne. Wenn es Ihnen recht ist, dann holen wir uns ein Glas Wein und setzen uns dort drüben an einen Tisch.“
    Als sie Platz genommen und miteinander angestoßen hatten, begann Dietl zu erzählen, wie sie Urbans Ausstellung organisiert und ihn kennengelernt hatte. „Er war immer so freundlich und zuvorkommend zu mir“, erzählte sie und in Paulas Kopf entwickelte sich ein neuer Verdacht gegen Urban.
    „Mein Freund hatte mich verlassen und ich war sehr deprimiert. Als ich dann erfuhr, dass ich schwanger von ihm war, brach für mich eine Welt zusammen. Ich war damals gerade einmal einundzwanzig Jahre und ich hatte so viel vor. Die Ausstellung von Urban erschien mir als die große Chance, ich träumte von einer eigenen Veranstaltungsagentur. Doch plötzlich stand ich da, wusste, dass ich in sieben Monaten alleinerziehende Mutter sein würde und meine Ersparnisse nicht einmal für das Nötigste reichen würden.“
    Sie machte einen großen Schluck und starrte ins Leere. Paula hatte noch nie verstanden, warum die Kinderzuteilung auf dieser Welt so ungerecht verlief. Sie kannte Ehepaare, die über Jahre erschöpfende Hormonkuren auf sich nahmen, nur um endlich Nachwuchs zu bekommen, und dann wurde eine junge Frau, die so viele Pläne hatte, ungewollt schwanger.
    „Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Mein Sebastian ist das Beste, was mir passieren konnte, das ist mir heute klar. Aber damals wusste ich weder ein noch aus. Wenn Urban nicht gewesen wäre, dann weiß ich nicht, was ich getan hätte.“
    Krems lag an der Donau. Ins Wasser zu gehen, war schon manchem als die beste Lösung für seine Probleme erschienen.
    „Irgendwie sind wir ins Reden gekommen und er hat mich getröstet und mir gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen solle. Er war so freundlich und so hilfsbereit …“, die letzten Worte hatte sie sehr leise gesprochen. Paula ahnte, was nun kommen würde. Wahrscheinlich hatte Urban sich die Sympathie der jungen Frau erschlichen, ihr geholfen und dann ihre Lage ausgenützt.
    Dielt hatte sich wieder gefasst.
    „Jedenfalls hat er mir jeden Monat vierhundert Euro überwiesen und hat mich und den Kleinen regelmäßig besucht. Er war ein wunderbarer Großvater.“
    „Und von Ihnen …?“
    „Was meinen Sie?“
    „Hat Urban auch Sie umworben?“ Paula genierte sich für die Frage. Nun fing sie schon an wie ihre Mutter.
    „Urban? Wo denken Sie hin?“ Dietl lachte laut auf. „Nein, natürlich nicht. Er war doch fast fünfzig Jahre älter als ich.“ Was ihn nicht gestört hätte, wie Paula mittlerweile wusste.
    „Aber es wird gemunkelt, dass Urban und Sie …“
    Dietl verdrehte die Augen. „Ja, ich weiß. So manche Schreckschraube wird nicht müde zu erzählen, dass mein Kind vonUrban ist und dass ich etwas mit ihm gehabt hätte. Vergessen Sie es. Wie gesagt, er hat mich sehr unterstützt und es tut mir sehr leid, dass er gestorben ist. Noch dazu, dass er in die Donau gefallen ist. Wissen Sie, er konnte Wasser nicht leiden. Wir haben nie einen Spaziergang am Donauufer gemacht.“
    Paula war gedanklich wohl auf dem Holzweg gewesen und sie war nicht einmal traurig darüber. Endlich hatte sie jemanden aus Urbans Umfeld gefunden, der ihn für einen netten Menschen hielt und dem er anscheinend nur Gutes getan hatte. Mal abgesehen von Blesch. Das war nach den Rechercheergebnissen der letzten Zeit richtiggehend eine Wohltat.
    Dietl schien etwas eingefallen zu sein und sie kramte in ihrer übergroßen Handtasche. Dann zog sie einen verschlossenen Umschlag hervor.
    „Den hat er mir heuer im Sommer gegeben und mich gebeten, gut darauf aufzupassen. Falls ihm etwas passieren würde, sollte ich ihn an die großen Medien weiterleiten. Nun, ich kenne keine Journalisten, die bei den großen Tageszeitungen

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