Schärfentiefe
zu machen: Die alte Frau will nach dreißig Jahren den vermeintlichen Priester besuchen und entdeckt, dass er ihr nur fingierte Fotos geschickt hat. Er hat sich sozusagen nur verkleidet.“ Blesch amüsierte sich köstlich.
„Die Magd hatte dadurch alle Ersparnisse verloren. Sie hat dann zwar umgesattelt und wollte ihre Seligkeit durch Dienste bei einem – diesmal echten – jungen Pfarrer erwerben, ist aber bald gestorben – an gebrochenem Herzen. Und da der Neffe in Wirklichkeit kein Pfarrer war, hat sie wohl nie ihr Plätzchen im Himmel bekommen, das sie sich kaufen wollte. Und recht geschieht ihr.“
Er schüttelte sich in seinem Rollstuhl vor Lachen über die vermeintliche Dummheit der gottesfürchtigen Frau. Als er sich wieder ein wenig beruhigt hatte, fuhr er fort:
„Urbans Frau Wex – die Frau ohne Sex –, wie wir sie immer nannten, ist auch so eine fromme Person, die in einer kleinen, heilen Welt lebt und wehe, da käme wer, der an den Vesten rüttelte. Jeden Sonntag läuft sie in die Kirche und betet und zündet Kerzen an und schaut, was die anderen Frauen für Kleider und Hüte tragen. Unter der Woche aber zieht sie über jeden her, der nicht ihren Vorstellungen entspricht. Den Stefan, den hat sie verehrt, und über den hätte sie nie etwas kommen lassen.“
Paula musste an Tante Irma denken, die auch eine strenggläubige Katholikin war. Während der Messe kniete sie demutsvoll mit gebeugtem Kopf vor dem Herrn Pfarrer, und ihreLippen erzitterten unter ihren Gebeten. Danach schimpfte sie über das „Bettlerpack“, das vor der Kirche auf milde Gaben hoffte. So laut, dass es jeder hören konnte.
„Stefan wollte sie halt nicht vor den Kopf stoßen, weil sonst eine Welt für sie zusammengebrochen wäre. Stellen Sie sich die Katastrophe vor, wenn sie entdeckt hätte, dass es ihr hochverehrter Stefan Urban so wild trieb.“
Paula ekelte es zunehmend vor Blesch. Er hatte Urbans sexuelle Erfolge, oder wie man das nennen wollte, ganz offensichtlich zu seinen eigenen gemacht. Ein bedauernswerter Mensch, der um keinen Deut besser war als diese Frau Wex, über die er sich lustig machte.
Ada riss sie aus ihren Gedanken: „Haben Sie sich eigentlich nie gefragt, ob das, was Ihr lieber Freund da so trieb, in Ordnung war? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass eine junge Frau rein sexuell auf einen alten Mann abfährt.“ Damit hatte sie Blesch schwer getroffen. Wie konnte sie nur daran zweifeln, dass es für eine junge Frau die größte Wonne sein musste, mit einem über siebzigjährigen Mann ins Bett zu gehen? Mit so einem Hengst, auch wenn ihm die Eier bereits bis zum Boden hingen. Er litt. Alles, was seinem ehemaligen Freund widerfuhr, das galt auch ihm.
„Blödsinn, Sie haben Stefan Urban nicht gekannt. Und außerdem ist das Alter bei einem Mann kein Kriterium. Männer können immer. Die Uhr tickt ja nur bei euch Frauen“, blockte er ab.
Ticktack, ticktack, da war sie wieder, diese ständig zitierte biologische Uhr. Zum Teufel damit.
„Sagen Sie mal, wissen Sie überhaupt, was Sie da für einen Schwachsinn von sich geben? Sie gehören sicher auch zu den Typen, die sagen, dass eine Frau es eh genossen hat, wenn sie vergewaltigt wurde, oder?“ Ada war kurz vor dem Ausrasten.
„Paula, bitte lass uns gehen. Ich halte diesen … diesen …“,sie überlegte kurz, welche Bezeichnung sie ihm geben sollte, „… Mann nicht mehr aus. Und Ihnen gebe ich den guten Rat, reflektieren Sie mal, was Ihr lieber Freund Urban alles getan hat, und wobei Sie mitgelaufen sind. Viel Zeit bleibt Ihnen ja nicht mehr“, schloss sie giftig, zog Paula hoch und zerrte sie aus der Wohnung. Blesch starrte den beiden sprachlos nach.
Zuerst die Wex, nun dieser Abgang – wenn das so weitergeht, dachte Paula, wird das zur Gewohnheit. Genauso wie die kleptomanen Anwandlungen Adas. Diesbezüglich wollte sie ohnehin einmal ein ernstes Wörtchen mit ihr reden.
„Solche Leute wie den Blesch und die Wex finde ich zum Kotzen. Das sind die, die zuschauen, wenn was passiert, und nicht eingreifen. Oder sie geben gar noch dem Opfer die Schuld, dass was passiert ist. Hauptsache keiner stört ihre heile Welt. Die sind für mich ebenso arg wie die Übeltäter selbst.“
Paula stimmte ihr zu. Blesch hatte auch sie traurig gemacht. Es war verhext, dass sie in letzter Zeit plötzlich überall mit solchen Leuten und Denkweisen konfrontiert wurde. Blesch hatte sein ganzes Leben lang jegliches Tun Urbans richtig gefunden, hatte ihn
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