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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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Glitzer und Tand.
    Es verging gut eine Viertelstunde, und Paula begann sich schon Sorgen zu machen, ob Krein sie überhaupt empfangen würde. Aber dann erschien ein großer, schlanker Herr im Türrahmen. Es war, trotz der vielen Jahre, die zwischen Aufnahme und Gegenwart vergangen waren, eindeutig der Mann auf dem Foto. Er hatte graues Haar, und sein Gesicht war von Falten zerfurcht, aber er war es, da gab es keinen Zweifel.
    Paula stellte sich vor und erklärte ihm, dass sie für eine Biografie recherchiere. Manuel Krein hörte aufmerksam zu.
    „Wieso glauben Sie, dass ich Ihnen weiterhelfen könnte, und, vor allem, wie haben Sie mich gefunden?“
    Paula erzählte ihm von der Auskunft des Meldeamts und dann von Stefan Urban. Kaum hatte sie diesen Namen erwähnt, war es, als ob sich eine Mauer zwischen ihnen aufgerichtet hätte.
    „Ich bedaure, aber ich werde Ihnen leider keine große Hilfe sein. Ich war mit Herrn Urban vor vielen Jahren bekannt, aber Sie wissen ja, wie das mit flüchtigen Bekanntschaften ist. Man verbringt einige Zeit miteinander, dann verliert man sich aus den Augen und sieht sich nie wieder. So weit ich weiß, ging Urban bald danach nach Paris, wo er wohl auch noch heute lebt.“
    „Stefan Urban lebte die letzten Jahre in Wien und ist vor knapp einem Monat bei einem Unfall ums Leben gekommen.“
    „Das ist sehr traurig. Sie sagten, er lebte die letzten Jahre in Wien? Das finde ich besonders schade. Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir vielleicht den Kontakt wieder aufleben lassen können.“
    Paula war sich hundertprozentig sicher, dass er Urban auch dann nicht kontaktiert hätte, wenn er es gewusst hätte. Der Streit, von dem Blesch berichtet hatte, musste sich an einer schwerwiegenden Sache entfacht haben.
    „Wie ist er ums Leben gekommen?“
    „Er muss bei einem Spaziergang ausgerutscht, in die Donau gefallen und dabei ertrunken sein.“
    „Das ist wirklich sehr bedauerlich. Aber wie ich schon sagte, ich kann Ihnen leider nicht helfen.“
    „Vielleicht doch.“ Paula ließ nicht locker. Sie kramte in dem Kuvert mit den Fotos herum.
    „Wissen Sie vielleicht, wer diese junge Dame ist?“ Sie legte die Aufnahme vor ihn auf den Tisch.
    Krein starrte das Foto an. Für einen Augenblick glaubte sie, dass sie Kreins harte Schale geknackt hätte. Sie war sich absolut sicher, dass er genau wusste, wer diese Frau war. Aber dann legte er das Foto auf den Tisch, sagte nur: „Leider. Da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen“, und schickte sich an aufzustehen.
    „War das vielleicht die Frau, die Ihnen Urban abspenstig gemacht hat und deretwegen Sie sich miteinander geprügelt haben?“
    Aus Kreins Blick war jegliche Freundlichkeit verschwunden.
    Warum nur hatte sie ihm diese provokante Frage gestellt? Was brachte sie nur immer wieder dazu, sich in Angelegenheiten fremder Menschen einzumischen, die sie im Grunde nichtsangingen? Warum konnte sie sich nicht mit dem begnügen, was offensichtlich war? Und offensichtlich war, dass Krein ihr keine Auskunft geben wollte.
    „Frau Ender, ich muss mich jetzt zurückziehen. Ich hoffe, Sie verstehen. Danke für Ihren Besuch, und ich bedaure, dass ich Ihnen nicht helfen konnte.“
    Krein deutete eine leichte Verbeugung an und verließ den Raum. Einen Moment wollte sich Paula in ihr Schicksal der unhöflichen Gesprächspartnerin fügen, doch dann schnappte sie ihre Tasche und lief ihm nach. Vor dem Lift holte sie ihn ein.
    „Entschuldigen Sie. Es tut mir leid“, keuchte sie. „Hier haben Sie meine Visitenkarte mit meiner Telefonnummer. Falls Ihnen doch noch etwas einfällt, von dem Sie glauben, dass es interessant sein könnte, rufen Sie mich bitte an.“
    Er nahm die Karte. Bevor sich die Lifttüren hinter ihm schlossen, nickte er Paula nochmals zu. Das Eis hatte wenigstens einige kleine Risse bekommen.

    3.
    Es war schon dunkel, als Paula aus der Seniorenresidenz zurückkehrte. In ihrer Wohnung brannte wieder Licht. Markus konnte es nicht sein, weil er einen Abendtermin hatte.
    Es war Clea, die am Computer saß und eifrig in die Tasten hämmerte.
    „Musst du recherchieren?“ Paula ließ sich auf die Wohnzimmercouch fallen.
    „Ich wollte, aber heute klappt nichts. Mein Kopf ist dumpf, und ich fühle mich lasch. Ich wollte den inneren Schweinehund besiegen, indem ich mich an den Computer setze und zu arbeiten versuche. Aber ich bringe nichts weiter.“
    „Dann mach eine Pause, und ich erzähle dir eine eigenartige Geschichte.“
    „Was hältst du

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