Schärfentiefe
an und jenes hier. Dann startete sie den Laptop, installierte dieses und jenes und tippte kryptische Befehle. Paula bekam nur mit, dass sie einmal ein Gerät – einen Router – verfluchte, weil es mit der Verbindung nicht klappte, was immer das heißen sollte. Aber Paula kümmerte sich nicht weiter darum, sondern versorgte Clea mit Tee und Weihnachtskeksen. Mehr hätte sie ohnehin nicht tun können.
Als Cleas „Fertig!“ ertönte und sie Paula einlud, den Platz vor dem Laptop einzunehmen, sah auf dem Bildschirm fast alles genauso wie bei dem alten PC aus. Sogar den gleichen Bildschirmschoner hatte Clea installiert. Die Panik jedes Nichts-PC-Gurus,dass alles anders und nicht mehr wie früher zu bedienen war, kam nicht auf. Paula kannte sich auf Anhieb aus, und alle alten Daten waren wieder da: die Fotos, die Kontakte und vor allem die Biografie. Ein Klick genügte, und sie war im Internet unterwegs, schneller als je zuvor.
„So, dann spiele mit deinem neuen Liebling ein bisschen herum, damit du dich rasch an ihn gewöhnst. Die Tastatur ist ein wenig anders, aber in ein paar Tagen fällt dir das nicht mehr auf. Ich muss jetzt los. Falls was ist, kannst du mich am Handy erreichen.“ Küsschen, und weg war sie.
Breit grinsend saß Paula vor dem guten Stück, und dann begann sie Urbans Geschichte zu schreiben. Nicht die für Santo, sondern eine, in die sie alles, was sie in den letzten Wochen an Informationen erhalten hatte, einbaute. Sie schrieb sich alles von der Seele, so wie es ihr in den Sinn kam, ohne auf chronologische Abfolgen zu achten. Mit jedem Absatz fühlte sie sich besser. Sie dachte nicht an Essen oder Trinken, sie hämmerte nur ununterbrochen in die Tasten des Computers.
Einmal läutete das Handy, aber sie beachtete es nicht. Jetzt musste einmal alles heraus, was sich in ihr aufgestaut hatte. Sie konnte und wollte einfach nichts Neues mehr aufnehmen. Später vielleicht.
Sie schrieb von Urbans Scheinwelt, von seinem Fotostudio und den jungen Mädchen, die sich als Modelle angeboten hatten und deren Leichtgläubigkeit er ausgenutzt hatte. Sie schrieb von den Personen, die sie kennengelernt hatte und was sie von ihnen hielt: Gerlinde Wagner, Doktor Znan, Konrad Blesch, die Wex, Manuel Krein.
Nicht zuletzt fragte sie sich, wer Urbans Mörder sein könnte, falls er denn tatsächlich ermordet worden war, und kam zu dem Schluss, dass alle ein Motiv gehabt haben könnten. Von den Fotos, die Urban bei Frieda Dietl versteckt hatte, erwähnte sie nichts. Das war eine andere Geschichte.
Irgendwann ließ der Drang nach, sie lehnte sich zurück und atmete tief durch. Sie fühlte sich erschöpft, aber gleichzeitig erleichtert. Sie las das Geschriebene nicht mehr durch, sondern gab den Druckbefehl. Während der Drucker eine Seite nach der anderen ausspuckte, ging sie in die Küche und wärmte eine Portion Linsengemüse und zwei Semmelknödel in der Mikrowelle und verschlang alles im Nu.
Als sie ins Wohnzimmer zurückkehrte, war der Druckauftrag beendet. Sie wusste genau, was sie als Nächstes tun wollte. Rasch machte sie sich fertig, nahm die Papiere, die sie brauchte, und lief los.
3.
Sie betrat die Seniorenresidenz, in der Manuel Krein lebte, gegen sieben, meldete sich bei der Rezeption an und bat, sie bei Krein anzukündigen.
Die Rezeptionistin maß sie von oben bis unten und runzelte die Stirn.
„Ich befürchte, dass Sie vergeblich gekommen sind. Herr Krein isst gewöhnlich um sechs zu Abend und möchte danach nicht mehr gestört werden.“
„Dann bitte ich Sie, heute eine Ausnahme zu machen. Sagen Sie ihm, es sei sehr dringend.“
„Sie meinen, die Angelegenheit kann nicht bis morgen früh warten?“
Die Rezeptionistin sah sie streng an.
Paula gab nach. Natürlich konnte ihr Anliegen bis morgen früh warten. Es war nur die Ungeduld, die sie schon heute hierhergetrieben hatte.
„Haben Sie ein großes Kuvert?“, fragte sie und zeigte ihr den Packen Papier.
„Natürlich. Einen Moment.“ Die Frau erhob sich und entnahm dem Schrank hinter ihr einen Briefumschlag.
Paula gab die Papiere hinein, klebte ihn zu und bat, die Unterlagen noch heute zu Krein zu bringen. Sie würde ihn morgen Nachmittag gegen drei Uhr besuchen. Falls er sie nicht empfangen könne, solle er sie anrufen. Ihren Namen und die Telefonnummer schrieb sie auf das Kuvert.
Die Empfangsdame versprach, ihre Bitte zu erfüllen, und Paula hoffte, dass Krein zu einem Gespräch bereit war.
Während sie mit der Straßenbahn
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