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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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gedacht hast, sie und mich so zu hintergehen. Mir machst du was vor von wegen gemeinsamer Zukunft, und wie schön es doch ist, mit mir zusammen zu sein. Lügst mich an, dass du in einer Wohngemeinschaft lebst, die so unordentlich ist, dass ich dich nicht besuchen kann, und was weiß ich noch alles. Warum? Warum, frage ich, hast du mir das alles vorgemacht? Gibt dir das ein gutes Gefühl, Menschen, die dir vertrauen, zu hintergehen? Gibt dir das einen besonderen Kick? Oder brauchst du dieses Gefühl der Gefahr, ständig ertappt werden zu können?“ Paula hatte so laut gesprochen, dass die anderen Fahrgäste alles mitgehört hatten. Eine ältere Dame streckte den Daumen zustimmend nach oben und flüsterte: „Lassen Sie sich nichts gefallen! Männer sind Schweine.“
    „Aber ich habe keine Frau und kein Kind. Und am Weihnachtsmarkt in Schönbrunn war ich auch nicht. Ich hatte doch noch so viel zu erledigen, dass ich nicht einmal Zeit hatte, bei dir vorbeizukommen. Und ich wohne in einer WG und die ist der reinste Saustall.“
    Sendepause. Mit allem hatte Paula gerechnet, mit Ausreden, Entschuldigungen, aber nicht damit, dass dieser dreiste Menschalles abstreiten würde. Das war der Gipfel der Frechheit. Für wie bescheuert hielt er sie eigentlich? Die alte Dame, die weiterhin interessiert das Telefongespräch verfolgte, hatte vollkommen recht.
    „Weißt du was, du scheinst an einer ernsthaften Persönlichkeitsspaltung zu leiden. Geh mal zum Psychiater. Mich aber lass bitte künftig in Ruhe. Und komm mir ja nicht mit neuen Lügen. Einmal bin ich dir reingefallen, ein zweites Mal sicher nicht. Weißt du, ich habe dich so gern gemocht, und die Zeit war so schön. Dass du mir das alles nur vorgegaukelt hast und mein Vertrauen missbraucht hast, verzeihe ich dir nie. Besonders weil ich nach dieser Enttäuschung in nächster Zeit sicher niemandem mehr so schnell wieder vertrauen kann. Und dafür wünsche ich dir die Pest an den Hals. Sei froh, dass ich so anständig bin und es deiner Frau nicht stecke, was du so treibst. Aber da täte mir euer Kind leid.“
    Nach diesen Worten legte Paula auf, ohne eine weitere Antwort von Markus abzuwarten. Puh, das hatte gut getan. Normalerweise fielen ihr die ätzenden Bemerkungen immer erst hinterher ein. Doch diesmal war es Schlag auf Schlag gegangen. Großartig. Die alte Dame lächelte sie an und applaudierte lautlos mit ihren behandschuhten Händen.
    Das Handy klingelte erneut. Natürlich war es wieder dieser Wichser. Abgelehnt. Es klingelte nochmals. Schon wollte sie wieder ablehnen, aber dann sah sie im letzten Moment, dass es nicht Markus war.
    „Ender?“
    „Paulinchen, gut dass ich dich erreiche. Ich muss dich dringend sprechen.“ Es war Santo. Was um alles in der Welt hatte ihn bewogen, selbst die Nummer in die Tasten zu drücken? Paula wusste gar nicht, dass er dazu fähig war. Normalerweise musste ihn seine Assistentin sogar mit seiner Frau verbinden.
    „Irgendwas läuft da mit unserer Biografie schief. Hast dueine Ahnung?“ Und ob Paula eine Ahnung hatte. Aber wie kam Santo darauf?
    „Heute habe ich einen Anruf erhalten, dass der Hauptsponsor, die Firma Comm4Syst, abspringen wird, sollte sich das Projekt in eine unerwünschte Richtung entwickeln. Ich meine, ich habe keine Ahnung, was denen über die Leber gelaufen ist, aber es ist mir schließlich gelungen, sie zu beruhigen und ihnen zu versichern, dass wir eine schöne und harmlose Biografie schreiben werden, die niemanden und schon gar nicht lebende Personen in irgendeiner Weise kompromittieren wird. Paulinchen, hast du mich verstanden?“
    Natürlich hatte sie das verstanden. Sollte sie Santo erzählen, welch hinterfotziger Mensch dieser Stefan Urban zu seinen Lebzeiten gewesen war, dass bei ihr eingebrochen worden war, um ihre Rechercheergebnisse zu vernichten oder sie zumindest bei der Arbeit zu behindern? Dass sich Leute auf den Schlips getreten fühlten, konnte nur heißen, dass Urban auch dort Freunde sitzen hatte, die keinesfalls wollten, dass sein Doppelleben an die Öffentlichkeit kam, womöglich, weil der eine oder andere selbst darin verwickelt war? Und was hatte es mit diesen Fotos auf sich? Ob Kurt schon herausgefunden hatte, wer der zweite Mann darauf war?
    Aber sie behielt diese Gedanken für sich. Während der langen Zeit, die sie Santo kannte, hatte sie gelernt, dass er nur das hören wollte, was in seine Vorstellung passte. Und die umfasste nur, was Geld brachte. Alles andere wurde schlicht und

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