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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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das wissen Sie bereits?“
    Die Enttäuschung in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    „Ja, es gibt viele Möglichkeiten, an Informationen zu kommen“, sagte Paula ein wenig zu schnippisch.
    „Nun, dann wissen Sie vielleicht auch schon, was es mit dem Streit zwischen Krein und Urban wirklich auf sich hatte?“
    Das wusste Paula nicht, und sie musste zugeben, dass sie sich brennend dafür interessierte.
    „Krein und Urban stritten sich nicht wegen eines Frauenzimmers miteinander, so wie ich es Ihnen erzählt habe“, fuhr Blesch fort. „Ich meine, es war schon wegen einer Frau, aber nicht, weil die beiden etwas mit ihr anfangen wollten. Krein, das müssen Sie wissen, war der Bruder von Elsa Tin.“
    Er machte eine Pause.
    Paula konnte es sich gerade noch verkneifen, ein „Oh!“ in den Hörer zu hauchen.
    „Urban hatte damals ein sehr lukratives Nebengeschäft. Er veröffentlichte unter einem Pseudonym Bilder von Prominenten in einigen deutschen Magazinen, die vorzugsweise an Skandalfotos interessiert waren und sehr gut zahlten.
    Er hatte hervorragende Kontakte zu vielen bekannten Persönlichkeiten, und so gelang es ihm immer wieder, Bilder zu schießen, die sie in peinlichen Situationen zeigten. Es kam häufig zu kleineren und größeren Skandalen. Auf den Gedanken, dass die Fotos von Urban stammten, kam niemand, weil er sehr gut aufpasste, sodass nie ein Verdacht auf ihn fiel. Die Magazine hielten ebenfalls dicht, weil sie verständlicherweise kein Interesse daran hatten, Urbans Namen preiszugeben. Sie konnten schließlich ihre Auflagenzahl erheblich steigern.“
    „Ein Paparazzo also.“
    Blesch ignorierte ihre Bemerkung.
    „Jedenfalls gab es da auch so eine Sache mit Elsa Tin. Sie hatte eine heimliche Beziehung zu einem Prominenten, einem verheirateten Mann.“
    „Und was soll daran so schlimm sein?“
    Paula verstand das Problem nicht. So etwas kam doch laufend vor. Die Boulevardpresse war voll davon und berichtete die intimen Details der Prominenten, ob es den Leser interessierte oder nicht.
    „Frau Ender, Sie dürfen nicht vergessen, dass die Leute Anfang der sechziger Jahre manche Dinge bei Weitem nicht so locker gesehen haben, wie das heute viele tun. Das war noch vor der so genannten sexuellen Befreiung der 68er-Bewegung. Abtreibung wurde in jedem Fall bestraft, die Ehe war zumindest nach außen hin heilig, eine Scheidung kein Thema. Vor allem Frauen, denen Ehebruch nachgewiesen wurde, waren gesellschaftlich geächtet. Männern ließ man das noch eher durchgehen. Aber wenn eine junge und dazu noch prominente Frau eine intime Beziehung zu einem verheirateten Mann hatte, der ebenfalls im Rampenlicht stand, dann verstieß das gegen die guten Sitten. Jedenfalls schreckte Urban nicht davor zurück, auch von Elsa Tin und ihrem Angebeteten Fotos zu veröffentlichen, deren Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Der Skandal war perfekt, alle Boulevardblätter stürzten sich auf die beiden und schlachteten die Geschichte nicht nur aus, sondern dichteten noch vieles dazu. Elsa wurde als Drogensüchtige und Hexe diffamiert, die den armen Mann seiner Sinne beraubt hatte. Der nutzte seine Chance und rettete seinen guten Ruf, indem er ihr offiziell den Laufpass gab und das arme Opfer spielte.“
    „Und Urban?“, wollte Paula wissen.
    „Urban gelang es diesmal nicht, sich herauszuhalten. Manuel Krein entlarvte ihn und das war auch der Grund, weshalb diebeiden aneinandergerieten. Welche Auswirkungen diese Affäre für Elsa hatte, können Sie sich sicher vorstellen. Ihre Karriere war so gut wie beendet, Auftritte und Einladungen wurden storniert. Ihr Publikum war nun mal die feine Gesellschaft, die nach diesen Regeln lebte. Wenn sie eine Jazzmusikerin gewesen wäre, wäre es vielleicht einfacher gewesen. Aber so konnte sie nichts anderes tun, als sich zu verstecken. Sie hat dann eine Zeit lang mit ihrem Bruder in Nizza gelebt. Bald darauf ist sie gestorben.“
    „Und Urban?“, wiederholte Paula ihre Frage.
    „Ach ja, Urban. Natürlich war auch er in Wien gesellschaftlich erledigt. Dafür hatte Krein gesorgt, indem er Urban der Öffentlichkeit als den Sensationsfotografen präsentierte. Daraufhin wollte niemand mehr etwas von ihm wissen. Auch die Magazine engagierten ihn nicht mehr, weil sie mit unzähligen Klagen von Krein eingedeckt worden waren. Alles in allem aber hatte Urban Glück, denn aufgrund dieser Ächtung brach er von heute auf morgen alle Zelte in Österreich ab und ging nach Paris,

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