Schärfentiefe
einfach ignoriert. Wozu also gegen eine Wand rennen, wenn es ohnehin keinen Sinn hatte?
„Paulinchen, ich weiß, dass an dir eine engagierte Aufdecker-Journalistin verloren gegangen ist, aber ich bitte dich: Schreibe nur das, worum ich dich gebeten habe. Wir wollen keine Schlammschlacht veranstalten, sondern einen schönen Bildband herausgeben. Ich erinnere dich nur ungern immer wiederdaran, aber du arbeitest weder für ein Detektivbüro noch für ein Nachrichtenmagazin, sondern für eine Agentur, die von ihren Auftraggebern finanziell abhängig ist, und mit denen wollen wir es uns keinesfalls verscherzen. Hast du mich verstanden?“
Paula versicherte Santo, dass da überhaupt nichts im Busch sei, es sich bei den Bedenken des Sponsors wohl mehr um Spargedanken handeln müsse und sie ihm, Santo, eine Biografie des Fotografen liefern würde, die völlig unverfänglich war. Beruhigt beendete Santo das Gespräch.
Dass es nicht mit Sparmaßnahmen zusammenhing, dass jemand plötzlich gegen das Projekt Sturm lief, erschien Paula naheliegend. Aber sie hatte nicht gelogen: Sie würde Santo eine nette Biografie schreiben. Was sie ihm verschwiegen hatte, war, dass sie nun erst recht weiterrecherchieren würde.
Was wohl Ada dazu sagte? Nachdem sie Ada nicht mehr im Büro erreichte, probierte Paula es auf ihrem Handy, kam aber nur in ihre Mailbox.
Paula drückte auf den on-Knopf ihres MP3-Players, und Gloria Estefan sang davon, dass ihre Liebe eine Leidenschaft war und auch wenn nun alles vorbei sei, so wünsche sie ihm doch alles Gute im Leben: „… No hay mal que por bien no venga …“ Bewundernswert diese Kubaner. Die tragischen Liebesklagen waren immer in melodiöse Musik verpackt, die eher zum Mittanzen als zum Mitleiden animierte. Paula beneidete Menschen, die Liebe, Schmerz und Trennung als gegeben hinnehmen und dem auch noch etwas Positives abgewinnen konnten. So weit war sie zumindest im Moment noch nicht. Ganz im Gegenteil. Kurz war da die Versuchung, auszuschalten und der realen Liebe nachzutrauern. So wie es sich gehörte, mit der angemessenen Melancholie, wie sie für die Nachkommen der österreichisch-ungarischen Habsburgermonarchie typisch war. Aber dann ließ Paula sich von der Musik tragen, und für eine kleine Weile war alles gar nicht mal so schlimm.
4.
Kurt versuchte im Wohnzimmerregal die alte Ordnung von vor dem Einbruch wiederherzustellen. Sie hatten an jenem Nachmittag nur rasch alles irgendwie und irgendwo eingeordnet, damit die Wohnung wieder einigermaßen aufgeräumt aussah. In den nächsten Wochen würden sie genug mit der Kleinarbeit zu tun haben, die bekanntlich am meisten nervt. Paulas Wutpegel gegen die Leute, die das angerichtet hatten, stieg augenblicklich wieder an. Aber es hatte keinen Sinn, sich darüber aufzuregen. Also hockte sie sich zu Kurt und begann ihrerseits, das Durcheinander zu lichten. Dabei erzählte sie ihm von ihrem Schreibanfall, dem Besuch bei Krein und den beiden Anrufen.
Er sah sie ernst an.
„Ganz schön viel, was da so alles auf dich eingestürzt ist in den letzten Wochen – privat wie beruflich.“
„Ehrlich gesagt, es war mir selbst nicht so ganz bewusst. Weißt du, es ging alles so schleichend. Normalerweise ist es so, dass du in einem Bereich einen Reinfall hast, aber dafür läuft es sonst einigermaßen. Bei mir ist es aber mittlerweile so, dass alles, was ich angreife, in Chaos ausartet. Beruflich klappt momentan nichts, meine Liebesgeschichte mit Markus hat sich als totales Desaster herausgestellt, dann der Einbruch und alles, was mit Urban zusammenhängt. Dabei war es anfangs nur Spaß gewesen. Auch Adas und meine Recherchen bei den Leuten, unser Ausflug zu Urbans Fotostudio. Als Blesch mir heute diese Geschichte von Elsa Tin erzählte, da war ich richtig fertig. Wie mies dieser Urban gewesen sein muss, wenn du dir vorstellst, dass er über so lange Zeit gute Bekannte und Freunde hintergangen und ihr Vertrauen für seine Geschäfte ausgenutzt hat. Und dazu noch die Parallelen zu Markus, der mich nach Strich und Faden belogen hat.“
„Und jetzt muss ich dir auch noch etwas erzählen, das dein seelisches Durcheinander weiter vergrößern wird“, sagte Kurt.
Paula nickte ihm aufmunternd zu. „Ich nehme an, es geht um die Fotos? Machen wir es kurz – was hast du rausbekommen?“
„Also alles, was ich dir jetzt sage, würde rechtlich nicht standhalten, darum bleibt das bitte unter uns: Es scheint sich bei den Fotos tatsächlich um die
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