Schärfentiefe
stand der Sinn eher nach einem gemütlichen Abend mit Kurt. Außerdem: Wenn die Wagner den neuen Job bekommen hatte, dann würde sie nicht mehr im „Einstein“ arbeiten.
„Worum geht’s?“, fragte sie müde.
„Das werde ich dir nicht am Telefon erzählen. Ich möchte dein Gesicht sehen.“
„Ich befürchte, es hängt mit Urban zusammen?“
„Natürlich, was glaubst du denn? Dass ich dir etwas von meiner Tante erzähle? Obwohl es da sicher einige interessante Dinge zu berichten gäbe.“ Sie kicherte.
„Also gut. Sagen wir um zehn Uhr? Kann Kurt auch mitkommen?“
„Natürlich. Bis dann.“
Paula legte nachdenklich den Telefonhörer auf.
„Wieder was über Urban?“, fragte Kurt.
Paula seufzte.
5.
Ada wartete vor dem Lokal, als Paula und Kurt ankamen. Drinnen schoben sich die Massen. Gerlinde Wagner war nirgends zu sehen. Paula hoffte für sie, dass sie den Job bekommen hatte, für den sie sich am Vorweihnachtstag beworben hatte.
Sie ergatterten einen Platz im hintersten Raum, und es dauerte eine Weile, bis sie ihre Bestellung aufgeben konnten, und eine weitere, bis sie die Getränke bekamen. Der junge Kellner kannte Gerlinde Wagner nicht. Er arbeite an diesem Abend zum ersten Mal hier, erzählte er, aber er würde sich erkundigen und ihnen Bescheid geben.
Ada grinste vor sich hin und genoss es sichtlich, dass sie etwas entdeckt hatte, von dem Paula noch keine Ahnung hatte. Sie wusste noch nichts von der emotionalen Talfahrt, die Paula in den letzten Tagen durchlebt hatte, und dass sie sich am liebsten in ein Loch verkrochen hätte, um sich die Wunden zu lecken, die Markus und der Einbruch bei ihr geschlagen hatten.
Ada nahm genussvoll einen Schluck Bier und schleckte sich den Schaumbart ab.
„Erzähl schon“, wurde sie von Paula ungeduldig aufgefordert.
„Du erinnerst dich sicher an unseren Besuch in Urbans Fotoatelier?“
„Natürlich“, gab Paula unwirsch zurück.
„Was ist los. Bist du sauer?“, fragte Ada.
„Ja, aber das erzähl ich dir später. Entschuldige, es war nicht so gemeint, es hat nichts mit dir zu tun. Was wolltest du mir erzählen?“
„Wir haben ja damals einige Fotos und den Ordner mit den Schriftstücken mitgenommen.“
Richtig, das hatte Paula ganz vergessen. Sie wollten sie zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam durchsehen. Ihr Liebeskummer hatte sie alles andere vergessen lassen.
„Du kennst doch das Chaos in meinem Auto. Jedenfalls, als ich zu Weihnachten ein wenig Platz schaffen wollte, um zwei Verwandte umherzukutschieren, da hab ich den Ordner wieder gefunden und zu mir nach Hause genommen. Über Weihnachten habe ich begonnen, mich einzulesen und die Bilder anzusehen, und jetzt rate mal, von wem ich da ganz obszöne Schreiben gefunden habe?“
Paula zuckte mit den Achseln. Kurt horchte gespannt auf.
„Von der lieben Frau Doktor Znan! Die hat ganz offensichtlich ein wildes Techtelmechtel mit dem Urban gehabt. Die Briefe, die sie ihm geschrieben hat, sind alles andere als jugendfrei.“
Ada legte einige Seiten mit handgeschriebenen Zeilen auf den Tisch. Der schön gestaltete Briefkopf besagte, dass die Inhaberin des Briefpapiers Doktor Brigitte Znan hieß.
Unterschrieben waren alle Briefe mit „Gitti“.
Paula und Kurt bemühten sich, die undeutliche Handschrift zu entziffern, was ihnen mehr schlecht als recht gelang. Allerdings genügten ihnen die wenigen lesbaren Satzteile, um wie Ada festzustellen, dass es sich hier keineswegs um literarische Formulierungen handelte. Das Geschriebene strotzte vor pornografischen Ausdrücken.
Paula begann plötzlich laut zu lachen. Schließlich steigerte sich das Ganze zu einem Lachkrampf, der ihr die Tränen in die Augen trieb.
Ada grinste.
„Gell, das hättest du dir auch nie gedacht?“
Kurt sah Paula besorgt an. Er wusste, dass dieser Lachanfall nichts damit zu tun hatte, dass sich Paula gut amüsierte. Aber sie erholte sich rasch.
„Das hat gut getan.“ Lachen war die beste Medizin, um einen übervollen Topf vor der Explosion zu bewahren.
Ada hatte in der Zwischenzeit die Schachtel mit den Fotos ausgepackt und sie Paula hingeschoben.
„Ich weiß ja nicht, wie die Znan ausschaut. Aber nachdem du sie mir als reifere Frau beschrieben hattest und es nicht so viele Aufnahmen mit älteren Semestern gibt, habe ich alle obenauf gelegt. Schau, ob du sie wiedererkennst.“
Paula öffnete die Schachtel und sah sich die Fotografien an. Auch Kurt nahm sich die eine oder andere und betrachtete sie. Nicht
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