Schaerfer als Wasabi
das Geschehene ohnehin nicht mehr ändern.“ Katsuro saß da, die Beine leicht geöffnet und hatte sich bequem in die Polster zurückgelehnt. Sogar mit Kleidung konnte man sehen, wie gut er gebaut war. Die Sehnen und Muskeln seiner Unterarme traten bei jeder Bewegung hervor und auch seine breite Brust war unter dem weißen T-Shirt sehr gut zu erkennen. Plötzlich wurde es Nick heiß und kalt zugleich, ein Kribbeln durchlief seinen gesamten Körper bis hinunter in seine Füße. Er räusperte sich, um zu testen, ob seine Stimme noch vorhanden war.
„Ich weiß, aber es fühlt sich trotzdem Scheiße an.“
„Mach dir keinen Kopf. Ab jetzt wird alles anders … oder?“ Katsuro blickte Nick fragend an. Seine tief schwarzen Augen musterten ihn so intensiv, dass Nick vor Faszination beinahe vergessen hätte, zu antworten.
„Auf jeden Fall“, sagte er schließlich mit rauer Stimme. Katsuros Gegenwart machte Nick zunehmend nervöser – aber vermutlich waren vertraute Gespräche einfach noch sehr ungewohnt für ihn.
„Was ist jetzt eigentlich zwischen dir und Vanessa?“, fragte er rasch, um sich abzulenken. „Ich glaube, sie mag dich.“
Katsuro zuckte mit den Schultern. „Jetzt fängst du schon wieder damit an“, grinste er. Dann wurde er ernst. „Wir sind Freunde, weiter nichts. Mag sein, dass ihre Gefühle für mich romantischer Natur sind, aber ich kann ihr nicht mehr als meine Freundschaft anbieten.“
Sie schwiegen einen Moment, man hörte nur das gleichmäßige Dahinrattern des Zuges, der über die Gleise eilte.
„Und was ist mit dir?“, fragte Katsuro. „Hast du Gefühle für sie?“
Nick überlegte. „Bis vor Kurzem glaubte ich das noch“, gab er schließlich ehrlich zu. „Aber ich glaube, das war eher mein Ego, das nicht zulassen wollte, dass du mir meine beste Freundin nimmst. Ich liebe Vanessa – aber so wie man eine Schwester liebt. Ich bin froh, dass sie klüger war als ich und nie auf meine Annäherungsversuche eingegangen ist. Ich möchte sie als Freund nicht verlieren.“
Katsuro nickte. Irgendwie sah er erleichtert aus. Hatte er befürchtet, dass Nick ihm diese Frage stellen würde?
„Hab ich eigentlich schon danke gesagt? Ich meine wegen gestern Abend.“
„Nein.“
„Ähm … danke. Jetzt hast du mich schon zweimal aus der Scheiße gezogen.“
„Das war selbstverständlich, Nick. Wirklich.“
„Was heißt eigentlich danke auf Japanisch?“
„Domo arigato.“
„Domo arigato?“
„Hai.“
„Dann heißt Hai wohl ja?“
„Du lernst schnell.“
„Sehr witzig. Jedenfalls – Domo arigato.“ Nicks Gesicht glühte. Heiliger Strohsack, er machte sich doch gerade zum Affen, oder?
„Gern geschehen.“
Nick mochte gar nicht darüber nachdenken, wie es ihm jetzt ginge, hätte ihn Katsuro nicht gefunden.
„Was hattest du eigentlich so Wichtiges vergessen?“, fragte er.
Katsuro starrte ihn an. „Was?“
„Na gestern Abend, als du zurückgekommen bist. Ich kann mich noch daran erinnern, dass du sagtest, du hättest etwas vergessen.“
˜ ™
Katsuros Herz pochte schneller, während er fieberhaft nach einer Antwort suchte. Gestern am Bahnhof hatte ihn aus heiterem Himmel ein eigenartiges Gefühl überfallen, und er war nicht fähig dazu gewesen, in seinen Zug zu steigen. Völlig aufgewühlt und rastlos war er im Bahnhofsgebäude umhergelaufen und hatte über Nicks eigenartiges Verhalten nachgedacht, bevor er sich schließlich dazu entschlossen hatte, in die WG zurückzukehren. Seine Vorahnung, dass Nick noch da war, hatte ihn nicht getäuscht.
„Ach so … ja ähm … mein … meinen Waschbeutel. Ich hab mein ganzes Waschzeugs liegen lassen.“
„Oh.“ Nick sah irgendwie nicht so recht überzeugt aus. Katsuro war schon immer ein schlechter Lügner gewesen. Er spürte, wie ihm die Röte in die Wangen stieg. Eine Weile schwiegen sie, sahen aus dem Fenster.
„Hast du eigentlich Kontakt zu deinem Vater?“ Katsuro wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln. Als ihn Nick jedoch erschrocken anblickte, bereute er seine indiskrete Frage auch schon. „Sorry, ich wollte nicht ...“
„Schon gut“, entgegnete Nick mit einer fahrigen Handbewegung. „Mein Vater ...“ Er unterbrach sich selbst und verzog abfällig das Gesicht. „Nein, er hat sich nie gemeldet, und meine Mutter spricht nicht gerne darüber. Wenn sie es tut, gibt sie mir das Gefühl, dass es meine Schuld war. Als ich vor Kurzem bei ihr war, hat sie bei unserem Streit sogar offen zugegeben,
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