Schafkopf
inzwischen ja. Wennst ihn siehst: Sofort auf die Beine schießen. Wenn er immer noch Zicken macht: Höher zielen. Traust dir des zu?«
Holl schluckte und nickte. Der Gedanke, da in den Nebel hinaus zu müssen, aus dem sich jederzeit der Zimbeck auf ihn stürzen konnte, bereitete Holl Grausen.
Während sich die beiden Polizisten dem am Wegesrand abgestellten Fahrzeug näherten, fragte Holl: »Warum ist der net mit dem Wagen auf der Flucht?«
»Keine Ahnung. Vielleicht will er mit der Kiste net fahren, weil er denkt, wir suchen schon danach. Stimmt ja auch. Aber vielleicht kommt er auch noch und holt ihn.«
Sie erreichten den Wagen und schauten in den Fahrgastraum. Niemand war darin. Plötzlich kam ein Geräusch aus dem Nebel. Holl zuckte zusammen, drehte sich um und spähte in den Dunst. Nichts war zu sehen. »Vielleicht is er noch in der Nähe«, flüsterte er.
»Sehen kann er uns jedenfalls nicht. Höchstens hören.«
»Und wie sollen
wir
ihn dann finden?« Holl blickte sich abermals um und umklammerte seine Pistole mit beiden Händen.
»Gute Frage. Wir könnten hier warten, ob er net doch noch vorbeikommt.«
»Dann aber net direkt am Wagen, oder?«
Kreuthner nickte zustimmend und bedeutete dem jungen Kollegen, ihm zu folgen. Einige Meter weiter war undeutlich etwas Dunkles am Wegesrand zu erkennen. Nach ein paar Schritten wurden Baumstämme sichtbar, die man dort aufeinandergeschichtet hatte. Kreuthner und Holl knieten sich hinter die Baumstämme.
Aus ihrer Deckung konnten sie gerade noch den Wagen sehen, den Zimbeck abgestellt hatte. Alles dahinter lag im Nebel. Auch der Polizeiwagen.
»Echt krass«, bemerkte Holl. »Wie wenn er gar nimmer da wär.«
Kreuthner blickte nachdenklich in die Richtung, in der der Streifenwagen stand. Oder vermutlich stand. Oder vielleicht doch nicht mehr stand. Sie waren in einer Art Zwischenwelt, in der die Dinge nur existierten, weil man von ihnen wusste. Aber zu sehen waren sie nicht. Und das machte Kreuthner nervös.
»Ham mir eigentlich abgesperrt?«, fragte Holl.
»Der Schlüssel steckt«, sagte Kreuthner.
»Wieso steckt der? Des is doch voll bescheuert.«
»Erstens klaut niemand an Polizeiwagen. Und zweitens kann man im Notfall schneller losfahren und muss net lang nach ’m Schlüssel suchen. Oder kriegt ihn in der Hektik net ins Schloss.«
In diesem Augenblick hörte man ein dumpf ploppendes Geräusch.
»Das war jetzt net die Wagentür, oder?« Holl starrte angestrengt in den Nebel.
»Scheiße!« Kreuthner sprang hinter den Baumstämmen hervor und rannte mit vorgehaltener Waffe in Richtung Streifenwagen. Da heulte ein Motor auf, durchdrehende Reifen knirschten auf Asphalt. Unmittelbar darauf schoss das Polizeifahrzeug aus dem Nebel auf Kreuthner zu. Der rettete sich in den Straßengraben. Der Streifenwagen wendete mit einem Powerslide und raste fort.
Kreuthner kam keuchend auf die Beine und sah seinem Wagen nach. Der Nebel verschluckte ihn mitsamt dem Motorengeräusch. Holl tauchte neben Kreuthner auf.
»Was is da schiefgelaufen?«, fragte Holl nicht ohne eine gewisse Süffisanz.
»Glaubst, du kannst dir des hämische G’schau schon wieder leisten, ha? Sag lieber in der Zentrale Bescheid.«
Holl blickte in den Nebel, dann zu Kreuthner. »Also
mein
Handy liegt auf der Fensterablage.«
Kreuthner klopfte sich die Jacke ab. Lange und gründlich. »Ja«, sagte er schließlich. »Und meins auf der Mittelkonsole.«
Holl sah Kreuthner fragend an. Kreuthner wies mit dem Finger in die Richtung, in die ihr Streifenwagen verschwunden war. »Da lang.«
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59 . Kapitel
S ein Großvater hatte die Augen geschlossen, als Wallner ins Zimmer trat. Das zweite Bett war nicht belegt. Manfred hatte einen Kopfverband und einen bandagierten Arm, der auf der Bettdecke lag. Der Rest des Großvaters war unter der Decke, unter der sich die Konturen seines Körpers kaum abzeichneten. Er war klein und schmächtig wie ein Kind. Wallner stand eine Weile in der Tür und betrachtete seinen Großvater. Das Gesicht trug noch die Züge des drahtigen Mittvierzigers, der mit Wallner Fahrradausflüge gemacht hatte und auf Berge gestiegen war. Es schien gar nicht so lange her, dass der Großvater ihn nach dem Tod der Mutter und dem Verschwinden des Vaters ins Haus genommen und großgezogen hatte. Und es war nicht mehr lang hin, bis man den Alten aufbahren würde. Der Anblick würde dem ähneln, den Wallner vor sich hatte.
»Jetzt komm halt endlich rein«, sagte Manfred und drehte den
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