Schafkopf
gehabt, ich sag mal betreffend die Abendgestaltung. Und da kommst du jetzt ins Spiel.«
»He, Moment! Das hört sich überhaupt nicht gut an.«
»Nein, nein. Mach dir keine Sorgen. Du sollst ihr nur sagen, dass ich noch dienstlich unterwegs bin, wenn sie nach mir fragt. Zeugen vernehmen oder so was.«
»Aha …«
»Machst du’s?«
»Warum sagst du’s ihr nicht selber? Sie kommt bestimmt zur SoKo-Besprechung.«
»Da werde ich sie wohl nicht treffen. Ich würd mich gern vorher verabschieden.«
»Wieso?«
»Damit ich ihr net übern Weg lauf. Es wär mir einfach angenehmer.«
»Ich nehme an, dein Handy ist dann auch ausgeschaltet.«
»Könnte sein. Ist blöd, wenn du mitten in einer Zeugenbefragung bist und es klingelt ständig. Kennst das ja.«
»Okay«, sagte Wallner und wandte sich der erneut beschlagenden Fensterscheibe zu, durch die eine umzäunte Wiese mit äsender Dammwildherde zu sehen war.
Den großen SoKo-Raum der Polizeiinspektion Miesbach hatte man auf Veranlassung Wallners tüchtig geheizt. Anders als sonst regte sich kaum Widerspruch gegen die Zimmertemperatur. Die meisten Beamten hatten heute Morgen das Wetter falsch eingeschätzt und ab dem späteren Vormittag ordentlich gefroren auf der Galaun. Sie waren jetzt dankbar für ein warmes Plätzchen. Einige hatten Wallner während des Tages um seine Daunenjacke beneidet, und manch auswärtiger Kollege war geneigt, dem Leiter der SoKo prophetische Gaben in Dingen des Wetters zuzusprechen, wurde von den Miesbacher Kollegen aber dahin belehrt, dass Wallner jedes Jahr ab Mitte September mit ebendieser Daunenjacke herumlaufe und man ihn erst Anfang Mai aus dem Teil wieder herausoperiere.
Die erste Aufregung über den Mord am Berg hatte sich gelegt und war Müdigkeit gewichen. Die Mitarbeiter der SoKo waren seit zehn Stunden im Einsatz und hatten wenig zutage gefördert. Der Tatort war zu groß, und zu viele Wege führten zum Riederstein hinauf. Mike hatte morgens gleich nach seiner Ankunft angeordnet, von allen Wanderern, die die Polizei in den ersten zwei Stunden nach der Tat aufhielt und fortschickte, die Personalien aufzunehmen. Denn es war möglich, dass diese Personen auf dem Weg nach oben dem Täter begegnet waren. Des Weiteren wurden die fünf Wanderer befragt, die nach Kreuthner und Kummeder auf dem Riederstein waren und von denen drei wegen Schocks ärztlich behandelt werden mussten. Die Ergebnisse waren mager. Immerhin hatten mehrere Zeugen einen Wanderer gesehen, dessen Alter übereinstimmend auf Mitte dreißig geschätzt wurde und der einen für die kleine Tour unangemessen großen Rucksack mit sich führte. Der Mann war den Aussagen zufolge kurze Zeit nach der Tat auf dem Weg vom Riederstein ins Tal gewesen. Allerdings behauptete die eine Gruppe der Zeugen, er sei nach Schliersee abgestiegen, die andere hatte ihn auf dem Weg gesehen, der ins Alpbachtal und weiter nach Tegernsee führte. Die Personenbeschreibungen waren widersprüchlich, und keiner der Zeugen sah sich in der Lage, hinreichend genaue Details für ein Phantombild zu geben.
Janette hatte alles zusammengetragen, was über das Opfer Stanislaus Kummeder zu finden war. Kummeder war mehrfach vorbestraft. Teils wegen Drogenbesitzes, teils wegen Körperverletzung. Auch eine Vorstrafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte war dabei. Kummeder hatte Kreuthner auf dem Tegernseer Waldfest einen Masskrug über den Schädel gehauen und das danach noch im Krug befindliche Bier über dem am Boden liegenden Polizisten ausgeschüttet. Dass man ihm eine mit dem Masskrug verpasste, hatte Kreuthner nicht allzu sehr verärgert. So was ging bei ihm als Folklore durch, und bei dem einen oder anderen Masskrugschwingen hatte er selber schon mitgetan. Aber das Bier über ihn auszuschütten, war ein Angriff auf die Autorität von Kreuthner, die er sich in vielen Jahren als Polizist im Landkreis erworben hatte. Kreuthner war gar nichts anderes übriggeblieben, als Anzeige zu erstatten. Dabei ließ man den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung im Einvernehmen mit dem Staatsanwalt unter den Tisch fallen und rekurierte ausschließlich auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beamtenbeleidigung. Nachdem sich Kummeder im vollbesetzten Gerichtssaal bei Kreuthner entschuldigt hatte, war er mit einer Bewährungsstrafe davongekommen.
Kummeder hatte seinen Wagen auf dem Parkplatz in Tegernsee Süd abgestellt und war den kurzen, aber steilen Weg zum Riederstein aufgestiegen,
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