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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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antwortete: »Des geht dich nix an. Des is was zwischen ihr und mir.«
    Und Kreuthner sagte: »Das entscheid ich, ob mich des was angeht.«
    Zimbeck sah Susi an, die immer noch in kurzen Stößen atmete, hob seine linke Hand und wischte mit dem Daumen etwas von dem Blut weg, das aus Susis aufgerissener Augenbraue sickerte. Dann leckte er das Blut vom Daumen, sagte: »Du hast da was«, und ging an Kreuthner vorbei ins Wirtshaus zurück. Kreuthner betrachtete Susi mit einem Anflug von Mitleid und zuckte mit den Schultern. Dann verschwand auch er im Haus.
    Susi sah hinauf zur Lampe, um die immer noch die Motten kreisten. Aus ihrem Mund stiegen Kondenswolken und umgaben die Insekten für einen Augenblick mit Nebel. Was für ein kümmerliches Licht die Lampe gab, verglichen mit dem Licht, das Susi auf ihrem Weg ins Jenseits gesehen hatte. Diesmal war der Kreuthner gekommen. Würde das nächste Mal jemand kommen?
     
    Der silberne Porsche glitt durch die Nacht. Im Inneren roch es nach Ledergarnitur, und Norah Jones umhüllte Falcking mit swingenden Rhythmen und ihrer rauchig gebrochenen Mädchenstimme. Die Scheinwerfer tauchten Bäume und Sträucher am Wegesrand in flüchtiges Licht. Dann ein Stacheldrahtzaun, an dem eine Kuh stand, ohne in Aufregung zu geraten. Etwas weiter ein Bauernhof unterm Sternenhimmel, wuchtig und langgestreckt, mit geschnitztem Holzbalkon, den Reichtum früherer Besitzer bezeugend; vor dem Haus eine Holzbank, ein Bauerngarten mit Kräutern, Salat und Rittersporn, daneben ein Trampolin für die Kinder, zwei bunte Bälle und ein Bobbycar.
    Falcking fuhr weiter durch die schlummernde Welt. Wald kam auf der rechten Seite in Sicht, gleich würde die Straße ins Mangfalltal hinunterführen. Norah Jones hatte aufgehört zu singen. Falcking widmete sich für einen Moment der Stereoanlage und wählte eine neue CD aus. Als er wieder nach vorne blickte, stand vor ihm auf der Straße ein geisterhaftes Wesen.
    Falcking trat in die Bremsen, dass sein ABS ratterte und tockerte. Wenige Zentimeter vor dem Wesen kam der Wagen zum Stehen. Falckings Herz setzte aus. Adrenalin ergoss sich bis in den letzten Winkel seines Körpers. Nach dem kurzzeitigen Stillstand fing sein Herz jetzt an zu rasen. Das Wesen war offenbar eine Frau mit halblangen schwarzen Haaren, ihr rechtes Auge schien verletzt. Über der Nase trug die Frau einen dicken weißen Verband, aus dem Blut nach unten rann und sich über den Mund der Frau sowie über ihr weißes T-Shirt ergoss. Die Frau hatte die Handflächen ausgestreckt, um Falcking zum Anhalten aufzufordern. Jetzt ließ sie die Arme sinken und humpelte auf die Beifahrerseite des Wagens.
    Wo war der Knopf für die Zentralverriegelung? Was wollte die Frau von ihm? War es eine Falle? Würden im nächsten Moment die Komplizen der Frau aus der Dunkelheit auftauchen, ihn halb totschlagen und ausrauben? Sollte er Gas geben und wegfahren? Was, wenn die Frau wirklich Hilfe brauchte?
    Falcking war paralysiert, doch inzwischen hatte die Frau die Beifahrertür aufgerissen und starrte Falcking an. Ihr intaktes Auge weinte, Blut tropfte von ihrem Kinn auf den mit weißem Leder bezogenen Beifahrersitz. »Können Sie mich mitnehmen? Bitte!«, sagte die Frau, leckte sich das Blut von den Lippen und schluckte.
    Falcking war einerseits erleichtert, denn durch die Ansprache war das Gespenst zum Menschen geworden. Doch noch traute er der Frau nicht. Er sah sich hektisch um, ob jemand aus dem Gebüsch sprang und auf das Auto zurannte. Dann wanderte sein Blick zu den Händen der Frau. Keine Pistole darin, auch kein Messer. Die Hände waren leer und von blutigen Schrammen übersät. Falcking nickte. Die Frau stieg ein und nahm auf dem Beifahrersitz Platz, wobei sie, so vermutete Falcking, das dort befindliche Blut über die gesamte Sitzfläche verschmierte.
    »Kann …«, Falcking stockte, als die Frau ihm ihr Gesicht zuwandte und er ihr blutgeschwollenes Auge aus der Nähe sehen konnte. Die Frau war jung, vielleicht Mitte zwanzig. Sie musste hübsch gewesen sein, bevor sie jemand so zugerichtet hatte. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, sagte Falcking. Die Worte kamen langsam. Die Frage war unsinnig. Es war offensichtlich, dass die Frau Hilfe brauchte. Sie musste auf der Flucht vor ihrem Peiniger sein, und Falcking überkam die Angst, dass er es mit diesem Monster selbst zu tun bekommen würde, falls er der Frau half.
    »Fahren Sie einfach.« Hektisch nestelte die junge Frau an ihrer Lederjacke herum.

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