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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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»Können Sie mich nach Holzkirchen zur S-Bahn fahren? Gehen da jetzt noch Züge? Wissen Sie das? Ich muss nach München. Hier, ich geb Ihnen auch was, wenn Sie mich hinfahren.« Ihre Sätze kamen stoßweise. Sie hielt Falcking mit zitternder Hand ein paar zerknüllte Geldscheine vor die Nase. Es mochten hundert Euro sein. Falcking war irritiert. Die Frau stieg in einen achtzigtausend Euro teuren Wagen ein und bot dem Fahrer hundert Euro, damit er sie nach Holzkirchen fuhr? Sie war offensichtlich verwirrt.
    »Ich fahr Sie nach Holzkirchen. Aber Sie bluten aus der Nase.« In ebendiesem Moment schoss ein Schwall schwarzen Blutes unter dem Nasenverband hervor und spritzte über die Oberlippe der Frau auf ihr T-Shirt und den Beifahrersitz. Die Frau wischte sich das Blut mit dem Handrücken ab, dann, als sie sah, dass es viel war, mit den Geldscheinen.
    »Können Sie mich zu einem Arzt fahren?«
    »Kennen Sie einen?«
    »Is net weit von hier. In Festenbach.«
    Falcking überlegte, ob er da auf Nebenwegen hingelangen konnte.
    »Jetzt fahren S’ bitte!«, drängte die Frau.
    Falcking legte den Gang ein und fuhr los. »Ins Mangfalltal runter?« Die Frau nickte.
    Sie fuhren eine Weile und schwiegen. »Wer … ich meine, wie ist das gekommen? Mit dem Auge und der Nase?« Falcking bekam keine Antwort. Seine Beifahrerin wollte nicht reden. Gut. Er wollte es auch nicht wissen. Er würde sie zum Arzt fahren, anschließend die in seinem Kofferraum befindliche Reisetasche nach Hause bringen.
    Als sie auf die Straße trafen, die durch das Mangfalltal führte, deutete die Frau stumm nach rechts. Falcking vermutete, dass sie dort nach ein paar hundert Metern die Mangfall überqueren und den gegenüberliegenden Hang hinauffahren würden. Dort ungefähr musste Festenbach liegen.
    Vor dem Wagen lag ein Stück Straße im Scheinwerferlicht, dahinter schwarzer Wald. In diesem Augenblick zuckten vor ihnen Lichtstrahlen durch die Bäume. Ein Auto kam näher. Falcking spürte, wie die Frau neben ihm sich verkrampfte. Nach wenigen Sekunden gelangte Falcking auf ein gerades Straßenstück. Der andere Wagen kam ihm jetzt entgegen. Die junge Frau saß nicht mehr auf dem Beifahrersitz, sondern hatte sich unters Armaturenbrett gekauert. Das entgegenkommende Fahrzeug wich nicht nach links aus, sondern blieb in der Straßenmitte und blinkte Falcking an. Offenbar ein Zeichen, stehen zu bleiben. Falcking verminderte die Geschwindigkeit.
    »Was machen Sie denn? Fahren Sie weiter um Himmels willen.«
    Falckings Puls beschleunigte sich. Er spürte einen starken Druck auf Magen und Solarplexus, das Atmen fiel ihm schwer. Er hatte Angst. »Ich muss halten. Ich komm nicht vorbei.«
    Der andere Wagen stand ebenfalls. Einige Sekunden standen sie sich gegenüber. Falcking versuchte, den Fahrer zu erkennen. Aber er sah nur ein Gesicht ohne Konturen im Halbdunkel des anderen Wageninneren. Die Scheinwerfer blendeten zu sehr.
    Der andere Wagen fuhr jetzt mit einem blechernen Röhren an. Ganz langsam rollte er auf Falcking zu, scherte nach links aus und schob sich auf die Fahrerseite des Porsche. Falcking konnte erkennen, dass es sich bei dem anderen Wagen um einen alten Saab handelte. Der Saab hielt an, als sich die Fahrerfenster genau gegenüberlagen. Der Fahrer kurbelte sein Fenster herunter und bedeutete Falcking mit einer kurzen Bewegung des Kopfes, es ihm gleichzutun. Falcking drückte den Fensterheber und sah Stanislaus Kummeder ins Gesicht, ein Gesicht gezeichnet von Argwohn und Unruhe.
    »Sie ham net zufällig a Frau hier rumlaufen sehen?«
    Falcking zog die Augenbrauen fragend hoch.
    »Sie hat a Lederjack’n an und Cowboystiefel. Schwarze Haare, Pflaster im Gesicht.«
    »Ja, ja. Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen …«, sagte Falcking.

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19 . Kapitel
    D as Lokal war an diesem Abend zu einem Drittel mit Gästen gefüllt. Vor einigen Jahren hatten sie wieder die altmodischen Wirtshaustische hineingestellt, die mit den schwarzlackierten, gedrechselten Füßen, die eine helle Tischplatte aus Buche trugen. Die Tische waren nicht wirklich alt. Sie sahen nur so aus. Auch die Stühle mit den geschnitzten Lehnen wirkten alt, weil sie nicht so grob und klobig waren, sondern wieder filigraner, so wie man sie vor hundert Jahren hatte. Auch sonst hatte die Kaiserzeit Pate gestanden, von den Lampen bis zum Tresen, an dem viel dunkles Holz und Messing verarbeitet worden waren.
    Vera Kampleitner und Wallner saßen allein an einem großen Tisch. Jeder hatte eine

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