Schakale Gottes
sollten wir gleich heute das Abschiedsfest feiern«, schrie er in ohnmächtiger Wut. »Am besten in deiner Wohnung. Da können wir noch einmal alle Stellungen durchprobieren. Was hältst du davon?«
Natascha blieb stehen. »Muß das Schöne, das wir erlebt haben, so billig enden? Können wir nicht Achtung voreinander behalten?«
Er wußte, daß er zu weit gegangen war. »Entschuldige«, sagte er. »Mir war der Kragen geplatzt. Ich hatte vorgehabt …«
»Was?«
»Ach, nichts. Gehen wir nach Hause.«
»Sonst hast du mir nichts zu sagen?«
»Nein. Ich werde meine Rache kalt verspeisen.«
Natascha überlief ein Schauer. Sie kannte Fedor und wußte, daß er seine Drohung wahrmachen würde. Und bereits eine Stunde später bekam sie zu spüren, wohin er steuerte. Denn er wandte sich, nachdem sie gemeinsam gegessen hatten, an Babuschka und sagte wie nebenbei:
»Ich fahre übrigens morgen nach Czenstochau.«
Die alte Dame sah ihn erstaunt an. »Zu Pater Rochus?«
»Ja, in einer Edelstein-Angelegenheit.« Natascha war es, als bliebe ihr das Herz stehen.
»Man will mir den Auftrag erteilen, eine Nachbildung der berühmten Kordecki-Monstranz zu schaffen.«
»Und das sagst du, als wäre es nichts?«
»Die Entscheidung ist ja noch nicht gefallen. Die Aussichten sind aber gut. Ich habe die Edelstein-Imitationen schon anfertigen lassen und fahre nach Czenstochau, um sie mit den Originalen zu vergleichen.« Er erhob sich. »Ich habe sie im Mantel und werde sie euch zeigen. Von echten Steinen sind sie kaum zu unterscheiden.«
Natascha war die Kehle wie zugeschnürt. Worauf wollte Fedor hinaus?
Er ging nach draußen und kehrte mit einer Schachtel zurück, deren Inhalt er wie etwas Belangloses auf den Tisch schüttete. »Sehen die nicht phantastisch aus?«
Babuschka griff nach einem Smaragd. »Ist der wirklich nicht echt?«
Auf Nataschas Stirn perlte Schweiß.
Er lachte. »Alles, was du da siehst, ist geschliffenes Glas.«
Die alte Dame schüttelte den Kopf. »Dann ist es kein Wunder, daß es soviel unechten Schmuck gibt. Mit dem bloßen Auge sind echte und unechte Steine wahrhaftig nicht zu unterscheiden.« Sie betrachtete einen Diamanten. »Bei dem Licht hat der sogar Feuer.«
»Eben, das Licht ist fast entscheidender als die Qualität.«
»Aber die Schachtel, die du da hast, ist grauslich.«
»Ich hab' nichts Passendes gefunden.«
»Da kann ich dir helfen«, sagte Babuschka und entnahm einer Falte ihres Kleides ihren mit bunten Glasperlen bestickten Seidenbeutel. »Den leihe ich dir.« Sie leerte den Beutel. »Sonst haben die Pauliner kein Vertrauen zu dir. Und du weißt ja: Vertrauen weckt Vertrauen!«
Auf der Fahrt nach Czenstochau kam eine beängstigende Unruhe über Fedor Zadek. Er rauchte mehr als sonst, schaute aus dem Fenster, ohne die Landschaft zu sehen, stand auf und setzte sich wieder, fuhr sich durch das Haar und faßte immer erneut nach dem Beutel mit den Edelstein-Imitationen, der in seiner Manteltasche steckte. Zum Glück reiste er allein in dem Abteil. Seine Nervosität hätte jeden Mitfahrer stutzig gemacht. Sie wurde schließlich so stark, daß er sich besorgt fragte, ob er überhaupt in der Lage sein werde, die übernommene Aufgabe gewissenhaft zu erfüllen. Dabei hatte seine Unruhe ihren Grund nicht im bevorstehenden Risiko. Diese Gefahr erachtete er als gering. Es war vielmehr Pater Rochus, der ihn beschäftigte. An ihm wollte er seine Wut über Nataschas Entscheidung auslassen. Er hatte sich geschworen, den Mönch zu kujonieren, sobald es ›geschäftlich‹ nichts mehr zu erledigen gab. Da er den Spätzug benutzte, kam er erst am Abend in Czenstochau an. Hier quartierte er sich in dem Gasthof ein, in dem er schon einmal übernachtet hatte. Damals hatte ihn seine Enttäuschung über die schon sicher geglaubten und dann verlorengegangenen dreißigtausend Rubel aus dem Postraub zum Wodka greifen lassen; diesmal trank er in dem Hochgefühl, am Abend einer großen Wende zu stehen. Als Millionär würde er ins Ausland gehen. Natascha und dieser Pauliner mochten sehen, was aus ihnen wurde. Sie konnten von Glück sagen, daß er nicht vorhatte, sie um ihren ganzen Anteil zu bringen.
Um so erstaunlicher war die verbindliche Art, mit der er Pater Rochus am nächsten Mittag begrüßte. Sie trafen sich am Kordecki-Denkmal auf der Potocki-Bastion, und selbst ein aufmerksamer Beobachter hätte nicht bemerken können, daß bei der Begrüßung ein vielfach zusammengefaltetes Blatt seinen Besitzer
Weitere Kostenlose Bücher