Schakale Gottes
und ließ sie bei der Jungfrau Maria, bei Jesus Christus, Gottvater und allen Heiligen schwören, zu niemandem über die Fahrt zu sprechen und eher zu sterben, als den Schwur zu brechen. Immer wieder ließ er sie schwören und beten, bis es Pater Rochus zuviel wurde.
»Genug«, unterbrach er ihn unwillig. »Jetzt bekommen die beiden erst mal ihren Lohn.« Er griff in die Kutte und zog ein Bündel Banknoten hervor. »Zündet eine Laterne an.«
Im Schein der Lampe, die er gleich danach wieder löschen ließ, gab er den Männern je zweihundert Rubel. Dann traten sie die Rückfahrt an, in deren Verlauf sie in Rudniki von einigen Betrunkenen, die ihnen sagen sollten, wo in der Ortschaft noch eine Flasche Kwaß zu erhalten sei, lauthals verlacht und gehänselt wurden.
»Ich kann es vor Durst kaum aushalten«, sagte Pater Rochus, als sie weiterfuhren. »Seit gestern abend habe ich keinen Schluck mehr getrunken.«
In der nächsten Ortschaft war das Fenster einer kleinen Hütte erleuchtet. »Halte an!« kommandierte er augenblicklich. »Da bekomme ich bestimmt Wasser.«
Der Kutscher brachte den Wagen zum Stehen.
Pater Rochus sprang auf die Straße, lief durch tiefen Schneematsch auf das Haus zu und klopfte an das Fenster.
Hinter der Scheibe tauchte der Kopf einer Frau auf.
»Kann ich etwas Wasser haben?«
»Nu, gewiß doch!« Sie wies um das Haus herum.
Er ging zum Eingang.
Die Tür wurde geöffnet, und eine Bäuerin erschien mit einem Becher Wasser. »Gelobt sei Jesus Christus«, rief sie bewegt, als sie sah, daß ein Mönch vor ihr stand. »Kommen Sie herein, Hochwürden. Ich hatte nicht gesehen …«
»Keine Umstände, gute Frau«, unterbrach er sie. »Ich muß weiter und habe nur furchtbaren Durst.«
Sie reichte ihm den Becher. »Wir waren gerade aufgestanden, weil eine Kuh kalbt.«
Er leerte das Glas ohne abzusetzen.
»Vergelt's Gott«, stöhnte er erlöst. »Wie heißt dieser Ort eigentlich?«
Sie nannte den Namen.
Seine Augen leuchteten auf. »Ist hier nicht …« Er unterbrach sich, als hätte er schon zuviel gesagt. Ein faszinierender Gedanke war ihm gekommen. »Wer ist der Büttel dieses Dorfes?«
»Tadeusz Minka.«
Er sandte ein Stoßgebet zum Himmel. »Und wo wohnt der?«
»In Richtung Czenstochau in der vorletzten Hütte links. Kennen Hochwürden ihn?«
»Nein, nein«, antwortete er. »Ich fragte nur so.«
Pater Rochus war völlig geistesabwesend, als er zur Kutsche zurückkehrte.
Tadeusz Minka! Seit gut einem Jahr wußte er, daß sein ehemaliger Militärausbilder der Büttel dieses Ortes geworden war. Er hatte sich schon einige Male vorgenommen, ihn zu besuchen, aber dann war immer wieder etwas dazwischengekommen. Hatte das Schicksal es so gewollt? War es höhere Fügung, daß er gerade heute …?
Seine Gedanken kreisten. Er hatte vorgehabt, sich in Czenstochau am Bahnhof absetzen zu lassen, um mit dem Frühzug nach Warschau zu fahren. Darum hatte er seinen Koffer auch bereits mitgenommen. Wenn er nun … Der alte Tadeusz Minka war zuverlässig. Niemals würde er etwas unterschlagen. Bestimmt würde er zum Kloster eilen, und dann … Es wäre ein Wunder, ein echtes Wunder!
»Hör zu«, sagte er gedämpft, an Pater Markus gewandt. »Ich steige gleich aus und gehe zu Fuß weiter.«
»Warum denn das?« fragte der Ordensbruder, den es im Grunde genommen erleichterte, sich von Pater Rochus trennen zu können. Er verging vor Angst.
»Ich kehre nicht nach Jasna Góra zurück.«
Dem Herrn sei Dank, dachte Pater Markus.
»Ich habe vor, nach Warschau zu reisen. Bestimmt würde es auffallen, wenn ich stundenlang am Bahnhof herumstehe.«
»Das ist richtig.«
»Nur einen Fehler habe ich gemacht. Ich will von Warschau nach Galizien und von dort ins Ausland, habe jedoch meine Papiere im doppelten Boden meines Schrankes liegengelassen. Nimm sie an dich und schicke sie mir morgen, allerspätestens übermorgen postlagernd nach Koniecpol.«
Nie im Leben werde ich deine Zelle nochmals betreten, dachte Pater Markus, fragte aber unbefangen: »Warum gerade dorthin?«
»Weil ich nicht mehr über Czenstochau fahren kann. Ich muß vorsichtig sein und mich auf Nebenstrecken bewegen. Da fahre ich am besten über Kielce, Koniecpol und Myszkow nach Krakau.«
»Willst du Propst Jordanski aufsuchen?«
»Vielleicht.«
»An deiner Stelle würde ich das nicht tun«, riet ihm Pater Markus.
»Und weshalb nicht?«
»Es ist immerhin … Wer weiß, wie der Propst reagiert, wenn er erfährt, was du getan
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