Schakale Gottes
hast.«
»Das Beichtgeheimnis wird er niemals verletzen.«
»Das gewiß nicht. Aber …« Er zuckte die Achseln.
»Ich werde es mir noch genau überlegen.« Er reichte dem Ordensbruder die Hand. »Mach's gut, Markus.«
»Hier im Wald willst du aussteigen?«
»Warum nicht? Und zögere nicht zu lange mit der Reise zu deiner Familie. Wer weiß, was sich in Jasna Góra noch alles tut.«
Pater Markus machte das Kreuzzeichen über seinen einstigen Ordensbruder. »Der Herr sei mit dir.«
Pater Rochus geriet in einen ekstatischen Taumel, als er durch tiefen Schneematsch in das Dorf zurückeilte, in dem Tadeusz Minka das Amt eines Büttels übernommen hatte. Seinen Koffer schwenkte er wie einen Spazierstock. Erlösungssehnsucht verdrängte jedes Schuldgefühl. Die Schwarze Madonna würde ihm vergeben, wenn sie die Edelsteine zurückerhielt, die ihr einst von Königen und Fürsten zu Füßen gelegt worden waren. Für sich persönlich hätte er sie niemals gestohlen. Wenn Natascha nicht gewesen wäre …
Natascha!
Die vorletzte Hütte links, hatte die Bäuerin gesagt. Was mochte der Büttel denken, wenn er am Morgen den hübschen Seidenbeutel …? Konnte es wahr sein, daß auch Babuschka …? Oder hatte Fedor ihn belogen?
Unsinn! Wozu sich Illusionen hingeben? Der Goldschmied hatte die Wohnung in der Jerusalimskaja 23 genau gekannt! Natascha hatte …
Natascha!
Am Himmel wurden erste graue Streifen sichtbar. Er mußte sich beeilen, durfte nicht mehr im Dorf sein, wenn die Bewohner ihre Betten verließen.
Tadeusz Minka würde Augen machen, wenn er sah, was der Beutel enthielt. Bei diesem Gedanken verfiel Pater Rochus in ein irres Lachen. Edelsteine im Wert von Millionen an der Tür einer armseligen Hütte.
Natascha hatte die Juwelen haben sollen. Nun erhielt sie die Schwarze Madonna zurück! Der Büttel wurde zum Werkzeug einer höheren Macht.
Die Umrisse der ersten Hütte wurden erkennbar. Wer hätte gedacht, daß er seinen militärischen Ausbilder eines Tages zum Vollstrecker eines Wunders machen würde. Der Gedanke übermannte Pater Rochus. Er stellte seinen Koffer ab und kniete nieder. »Herrgott, ich danke dir, daß du mich auf den richtigen Weg zurückgeführt hast. Der Teufel hatte Besitz von mir ergriffen.« Er stand auf, zeichnete in alle Richtungen ein Kreuz in die Luft, nahm seinen Koffer wieder auf und hastete weiter. Wenn er sich nicht täuschte, hatte er eben Natascha gesehen.
Er kicherte. Mit seinen Kreuzzeichen hatte er den Teufel vertrieben!
Die zweite Hütte tauchte auf. Zwischen ihr und der Landstraße war ein Graben, über den eine kleine Brücke führte. Pater Rochus lief auf die Hütte zu, entnahm seiner Kutte den Seidenbeutel und hängte ihn an die Klinke der Haustür. Dann kehrte er wie gehetzt zurück und rannte durchs Dorf, bis das letzte Haus hinter ihm lag. Erst hier erkannte er, daß er die falsche Richtung eingeschlagen hatte. Sollte er umkehren oder nach Rudniki weitergehen? Gewiß war es gut, nicht in Czenstochau in den Zug einzusteigen. Hatte die Schwarze Madonna verhindern wollen, daß er den Schnellzug nach Warschau bestieg?
Ein Wahnfieber hatte Pater Rochus erfaßt. Augenblicke, in denen er absolut klar denken konnte, wechselten mit Perioden, in denen sich seine Sinne verwirrten. Erst als er in Rudniki in den Zug eingestiegen war, kam Ruhe über ihn und kehrte die Vernunft zurück. Betroffen fragte er sich, was er getan hatte. Völlig falsche Voraussetzungen hatten ihn bewogen, den Beutel mit den Edelsteinen an die Haustür des Dorfbüttels zu hängen. Für ihn selbst waren die kostbaren Juwelen untrennbar mit Jasna Góra verbunden, ein Tadeusz Minka aber würde beim Anblick der blitzenden Steine wohl kaum an die Schwarze Madonna denken. Eher war zu vermuten, daß er den Fund an seine vorgesetzte Dienststelle weiterleitete.
Verzweiflung überkam Pater Rochus. Er hatte alles falsch gemacht, hätte die Edelsteine auf den Altar der Gnadenkapelle legen sollen. Oder sonst wohin im Kloster. Wie hatte er nur an ein Wunder glauben können? Am liebsten hätte er alles rückgängig gemacht. Wenn er nicht bereits im Zug gesessen hätte, wäre er auf der Stelle umgekehrt.
Mach keine weiteren Fehler, beschwor er sich. Fahr nicht nach Warschau. Du hast kein Recht, den Richter zu spielen. Außerdem liebst du Natascha trotz allem. Du würdest gar nicht die Kraft haben, sie zu töten. Bei Fedor war das etwas anderes. Da hast du im Affekt gehandelt. Wenn sein Tod dich aus vielerlei
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