Schakale Gottes
Gründen auch kalt läßt, so wirst du doch eines Tages bereuen, ihn erschlagen zu haben. Fahr nicht nach Warschau! Steig aus! Verlaß den Zug!
Pater Rochus fühlte sich krank. Es wurde Mittag. Seine Kehle war trocken, der Magen leer. Bei der Einfahrt in Petrikau entschloß er sich, nicht weiterzureisen und in der Stadt zu bleiben.
In einem kleinen Gasthof fand er Unterkunft. Er aß und trank etwas und legte sich aufs Bett. Ein Schüttelfrost erfaßte ihn. Obwohl völlig entkräftet, fiel er nur in einen unruhigen Halbschlaf. Alpträume schreckten ihn hoch. Nein, er würde Natascha nicht umbringen. Er würde auch nicht zu ihr fahren. Wozu? Um ihr zu sagen, daß er gemordet hatte? Eine Nachricht aber mußte er ihr geben. Doch was sollte er ihr schreiben?
Nachdem er achtundvierzig Stunden wie krank im Bett gelegen hatte, teilte er Natascha lakonisch mit: ›Schreckliches ist geschehen. Fedor wird nicht zurückkehren. Ich weiß nicht, was ich tun werde. Bin nicht mehr im Kloster.‹ Nach längerem Zögern setzte er hinzu: ›Wenn ich Abstand gewonnen habe, melde ich mich.‹
Noch einen Tag blieb er in Petrikau. Die Wirtsleute rieten ihm, einen Arzt aufzusuchen. Er versicherte, dies zu tun, fuhr aber über Kielce, wo er nochmals übernachtete, nach Koniecpol, um in den Besitz des postlagernden Briefes mit seinen Auslandspapieren zu gelangen.
Die Fahrt war vergeblich. In Koniecpol lag keine Post für ihn. Warum hatte Pater Markus seinen Wunsch nicht erfüllt? Hatte es Schwierigkeiten gegeben? Vorsorglich blieb er einen weiteren Tag. Ihm war hundeelend. Er verbrachte die ganze Zeit im Bett.
Am nächsten Morgen berichtete die Zeitung von dem schaurigen Fund in der Nähe von Gidle. Mit Erleichterung stellte Pater Rochus fest, daß es keinerlei Verdachtsmomente gab. Was sollte er tun? Weiterhin auf Post warten? Er zog es vor, Tadeusz Minka aufzusuchen. Die Frage, was der Büttel mit den Edelsteinen gemacht hatte, beschäftigte ihn Tag und Nacht.
Ein Bauer nahm ihn mit nach Mokrzesz. Von dort ging er nach Zawada. Hier fand er ein anderes Fahrzeug, das ihn nach Mstów und damit in die unmittelbare Nähe seines Zieles brachte. Die letzte Wegstrecke legte er zu Fuß zurück, und er erreichte die Hütte seines ehemaligen Ausbilders gerade in dem Moment, da dieser mit seiner Frau und einer dritten Person am Kaffeetisch saß. Es kam zu einer lebhaften Begrüßung, in deren Verlauf er erfuhr, daß der andere Gast mit der Aufklärung des Mordfalles beauftragt war. Nur mit Mühe gelang es ihm, sein Erschrecken zu verbergen und sich interessiert zu erkundigen, ob schon etwas ermittelt worden sei. Der Kriminalist bedeutete ihm, daß der oder die Täter höchstwahrscheinlich des Nachts mit zwei Droschken durch Rudniki gefahren seien. Er befinde sich auf dem Weg nach Czenstochau, um dort alle Kutscher zu vernehmen.
Vor Aufregung fiel Pater Rochus erneut in einen religiösen Wahn. Er war überzeugt, daß eine Fügung des Himmels ihn mit dem Beamten zusammengeführt hatte. Er sollte gewarnt werden, und er fühlte sich in seiner Auffassung bestärkt, als er nach Verabschiedung des Kriminalisten erfuhr, daß Tadeusz Minka vor wenigen Tagen in Jasna Góra gewesen war. Der Büttel sagte zwar nicht, was er dort gemacht hatte, sein Hinweis aber, die spiegelnden Fliesen des Rittersaales im Kloster hätten ihn an Jugendtage erinnert, in denen er gerne geschlittert habe, ließ eindeutig erkennen, daß er im Officium gewesen war. Pater Rochus fühlte sich wie von einer Zentnerlast befreit. Unzweifelhaft war ein Wunder geschehen. Die Schwarze Madonna hatte ihre Juwelen zurückerhalten! An ihm lag es nun, den Ordensbruder Markus schnellstens über die drohende Gefahr zu informieren. Er mußte ihm ein verschlüsseltes Telegramm schicken. Am besten: Von 17 und 22 droht Gefahr. Die Nennung der Droschkennummern würde ihm genug sagen. Auch wollte er ihm empfehlen, das Weite zu suchen. Bei einem Verhör würde Bruder Markus bestimmt zusammenbrechen. Wenn er verschwunden war, gab es keinen Zeugen mehr.
Pater Rochus spürte neue Kräfte in sich aufsteigen. Noch war nicht alles verloren. Vielleicht sollte er Natascha verzeihen. Ihre Schuld war geringer als die seine. Sie würde ihn wahrscheinlich auch verstehen. Er hatte im Affekt gehandelt. Im Willen liegt die Schuld, nicht in der Tat.
In Rudniki hatte Pater Rochus das Telegramm an seinen Ordensbruder aufgeben wollen, doch diese Bahnstation besaß kein Telegrafenamt. Ihm blieb nichts anderes übrig,
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