Schakale Gottes
Blitzableiter gewesen. An ihm hatte er seine Wut ausgelassen. Um jeden Preis hatte er Rache nehmen wollen. Die Augen fielen ihm zu. Ein paar Stunden Schlaf noch, dann lag das böseste Kapitel seines Lebens hinter ihm. Der Weg in die Freiheit hatte sich geöffnet. Er würde ihn gehen. Allein. Ein ganz neues Leben … Er schlief ein.
Pater Rochus kehrte zurück. Sein Gesicht war kreidebleich. Die Augen blickten wie die eines Irren. Seine Lippen waren fast blau. In der Hand hielt er ein Beil. Wie in Trance ging er auf den Goldschmied zu, holte aus, schlug zu, zertrümmerte den Schädel.
Blut spritzte an die Wand.
Er holte ein zweites Mal aus.
Fedor Zadek bäumte sich auf. Das Beil sauste auf ihn herab. Er fiel zurück, rutschte vom Sofa, lag auf dem Boden – röchelte.
Der Pauliner stürzte sich auf ihn, griff nach der Kehle und drückte sie mit aller Kraft zu. »Das ist die Strafe«, keuchte er wie von Sinnen. »Die Strafe für das, was du mir angetan hast. Aber ich vergebe dir. Ich erteile dir die Absolution. Ego te absolvo!« { * }
Pater Rochus' weiteres Vorgehen war von einer kaum begreiflichen Kaltblütigkeit diktiert. Als erstes wischte er das Beil an seiner blutverschmierten Kutte sauber. Anschließend trug er die Mordwaffe in die Gerätekammer zurück. Dann entnahm er seinem Schrank eine Rolle Schnur und tat etwas, das unsinnig erschien. Er, der vor Monaten nicht gewagt hatte, an das Bett des verstorbenen Paters Pius heranzutreten, band die Beine des Toten zusammen und schnürte dessen Hände fest an den Körper. Es war, als hätte er seit Wochen überlegt, was in einem solchen Fall zu tun sei. Behutsam kippte er das Liegesofa um, schnitt zwei jener Bänder auf, welche die Spiralfedern halten, entfernte einige von ihnen, so daß ein Hohlraum entstand, und begann mit der schwierigen Arbeit, den Ermordeten in die Matratze hineinzuschieben. Mit den Füßen nach vorn schob und zerrte er Fedor Zadek zentimeterweise in das Liegesofa hinein. Und als die Arbeit im Morgengrauen geschafft war, band er ein Kissen unter den Kopf des Toten, um zu verhindern, daß weiter Blut herabtropfen konnte. Ohne allzu große Mühe kippte er das Sofa dann langsam zurück und hatte so die Leiche fürs erste fortgeschafft. Wären an der Wand und auf dem Boden keine Blutspritzer gewesen, würde von der Schreckenstat nichts zu sehen gewesen sein.
Auch weiterhin ging Pater Rochus kaltblütig und systematisch wie nach einem wohlüberlegten Plan vor. Er zog seine Kutte aus und wischte mit ihr den Boden und das Wachstuchsofa ab. Die Blutspuren konnte er freilich nicht ganz beseitigen, aber es bestand wenigstens keine Gefahr mehr, sich Flecken zuzuziehen. Dann schlüpfte er in seine ›Ausgangskutte‹ und begab sich zu seinem Vertrauten, Pater Markus, der noch in tiefem Schlaf lag.
Er schüttelte ihn. »Werde wach, Markus! Ich muß dich unbedingt sprechen. Es ist etwas Schreckliches geschehen.«
Der Ordensbruder rieb sich die Augen. »Was ist denn los?«
»Das sage ich dir später. Du mußt mir helfen. Ich bin auf dich angewiesen. Lauf zu unserem Bauern. Du weißt schon, wen ich meine. Er soll noch heute eine große Kiste oder einen Korb besorgen. Irgendeinen Behälter, der mindestens achtzig Zentimeter breit und ein Meter siebzig lang ist.«
»Wofür brauchst du den?«
»Das erkläre ich dir nachher. Mach dem Bauern klar, daß er die Kiste – oder was immer es ist – noch heute beschaffen muß. Er soll den Kasten aber nicht hierherbringen, sondern in der kommenden Nacht um elf Uhr am Ende des Westausganges abstellen.«
»Der wird mich für verrückt halten.«
»Er wird den Auftrag aber ausführen, wenn du ihm diese hundert Rubel in die Hand drückst. Sag ihm, er könne den Rest für sich behalten.«
»Und warum gehst du nicht selber zu ihm?«
»Ich kann nicht fort, muß in meiner Zelle … Ich muß Blutspuren beseitigen.«
Pater Markus saß im nächsten Moment kerzengerade im Bett. »Blutspuren hast du gesagt?«
Pater Rochus machte eine verzweifelte Geste.
»Du hast doch nicht …?«
»Stell jetzt keine Fragen!«
»Sag mir die Wahrheit: Hast du jemandem etwas angetan?«
»Niemandem aus dem Kloster.«
Der Ordensbruder bekreuzigte sich.
»Man wollte mich erpressen. Du, Bruder Bazil und ich – wir drei wären vor den Kadi gekommen! Ich hatte meiner Freundin, die unbedingt wissen wollte, woher ich soviel Geld habe, in einer schwachen Stunde eingestanden …«
Pater Markus stöhnte. »Wie konntest du nur einem
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