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Schakale Gottes

Titel: Schakale Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bergius C.C.
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eingefallenen Wangen des Paters vibrierten. »Das ist eine Geschichte, von der ich noch nicht weiß, ob ich sie zu Protokoll geben werde.«
    »Dann sagen Sie mir wenigstens, wer der Ermordete ist.«
    »Das gehört zu der Geschichte, von der ich sprach.«
    »Sie können doch seinen Namen nennen.«
    »Nein, ich werde im Zusammenhang berichten.«
    »Es wäre aber wichtig für uns zu wissen, wer …«
    Pater Rochus unterbrach den Kommissär. »Ich habe nein gesagt, und es bleibt dabei! Schmutziges Wasser schüttet man nicht auf die Straße. Führen Sie mich also ab.«

5
    ›Gott wohnt zu hoch und der Zar zu weit‹, hätte man über den Bericht setzen können, den Pater Rochus zu Protokoll gab, nachdem er vom Krakauer Kriminalkommissariat an die Staatsanwaltschaft in Petrikau ausgeliefert worden war. Seine Geschichte begann im Sommer 1908 in einer Warschauer Villa an der Ujazdower Allee. Ihren Anfang nahm sie seltsamerweise aber ohne ihn. Sein Schicksal hatte Karten gemischt, mit denen andere spielten, bis eine kühne Volte ihn unversehens einbezog und in einen wirbelnden Strudel riß.
    In der Ujazdower Allee, die zu den Schlössern Lazienki und Belvedere führte, wohnte eine ungewöhnlich skurrile alte Dame, die nur noch über sehr geringe Geldmittel verfügte. Sie selbst beklagte diesen Umstand nicht. In den über achtzig Jahren ihres Lebens hatte sie erfahren, daß Erinnerungen, die wie Sterne in tropischen Nächten leuchten, wertvoller sein können als aller Mammon. Ohne Trauer hatte sie aufgegeben, was einst ihr Stolz gewesen war, und ohne Scham auch sammelte sie nach kleinen Festessen, die sie aus wohlerwogenen Gründen von Zeit zu Zeit arrangierte, all jene ›Scheinchen‹ ein, die von ihren verständnisvollen und noblen Gästen unauffällig in die Servietten praktiziert wurden. Beim Einsammeln durfte natürlich niemand zugegen sein; das wäre unter ihrer Würde gewesen. Ihre Nichte Natascha und ihr Neffe Roman Górski, die mit ihr die Villa bewohnten, berücksichtigten dies. Wenn die alte Dame sich nach einem Bankett erwartungsvoll die Hände rieb und mit einem für ihr hohes Alter erstaunlich übermütigen Blick zum Speisesaal hinüberblinzelte, wußten sie, was folgen würde. »Laßt mich einen Moment mit meinem Herrgott allein«, pflegte sie dann zu sagen und rauschte behend wie ein junges Geschöpf davon. Bei ihrer Rückkehr drückte sie den beiden regelmäßig eine Banknote in die Hand und äußerte zutiefst befriedigt: »Der alte Seneca hat schon recht: eine ernste Sache ist eine wahre Freude.«
    Ihr eigentlicher Name war im Laufe der Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Von allen Verwandten, Freunden und Bekannten wurde sie nur Babuschka, Großmütterchen, genannt. Sogar ihre Sluschanka, ihr russisches Dienstmädchen Anusja, nannte sie so. Das hatte die alte Dame freilich selbst betrieben. Sie suchte engen Kontakt mit dem Mädchen, das sie aus nüchterner Berechnung eingestellt hatte. In jenen Tagen gab es nichts, für das die russische Behörde sich nicht interessierte. Von der Warschauer Ochrana wurde sogar behauptet, sie schnüffele des Nachts im Kehricht herum. Da war es gut, ein russisches Mädchen zu beschäftigen. Man lief dann nicht Gefahr, von einem Fremden belauert zu werden; es war ja viel einfacher, sich der Sluschanka als Spitzel zu bedienen.
    Darauf baute Babuschka. Sie umgarnte Anusja, und zwar in erster Linie, um ihrem Neffen Roman, der Geschichte studierte und einer geheimen Freiheitsbewegung angehörte, die Möglichkeit zu geben, sich ungefährdet mit seinen Kameraden zu treffen.
    Roman Górski kam nicht darüber hinweg, daß seine Eltern nach Sibirien verbannt worden waren. Sein ganzes Sinnen und Trachten war darauf ausgerichtet, den Russen Schwierigkeiten zu bereiten und Schaden zuzufügen.
    Seine Schwester Natascha unterstützte ihn dabei. Sie informierte ihn über Dinge, die sie als Telefonistin in der Hauptzentrale Warschau zufällig auffing oder bewußt abhörte. Skrupel kannte sie nicht. Die Bühne, die ihr das Leben zugewiesen hatte, war ihr ohnehin zu klein. Sie träumte davon, den Rahmen zu sprengen, der sie gefangenhielt. Ein großes Leben wollte sie führen, selbst wenn sie dafür zur Mätresse werden müßte. Sie hielt wenig von Liebesgeflüster, das allzu schnell verfliegt. Samtschimmernde Perlen und feurige Edelsteine schienen ihr dauerhaftere Gunstbezeigungen zu sein. Wenn sie vor dem Spiegel ihre Augenbrauen nachzog, stellte sie sich vor, ihre Finger seien mit

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