Schakale Gottes
damals …«
Kriminalmeister Bobak flog herum. »Das Damals interessiert mich nicht! Nur das Heute! Und über Pater Rochus will ich im Augenblick nicht mit Ihnen reden. Da habe ich meine eigene Meinung. Außerdem weiß ich genau, daß Sie nicht an seine Unschuld glauben. Sie verteidigen ihn nur, um Ihr Telegramm begründen zu können. Gewarnt haben Sie ihn, weil Sie Angst haben, in den Sog seiner Untat zu geraten.«
»Das ist nicht wahr!« widersprach der Pauliner aufgebracht. »Mit dem Mord habe ich nichts zu tun.«
Jetzt hält er den Mord schon für gegeben, dachte Pawel Bobak. »Und wovor haben Sie Angst? Vor einer Sache, die Sie und Pater Rochus dem Propst gebeichtet haben?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Weil ich kombinieren kann. Das hat übrigens auch Prior Rejman getan. Oder meinen Sie, er hätte uns ohne Grund allein gelassen? Ihm geht es darum, das Ansehen des Klosters nicht zu gefährden. Und da er weiß, daß dies ebenfalls mein Wille ist, gibt er Ihnen die Chance, sich mir zu offenbaren. Herauskommen wird sowieso alles. Also reden Sie!«
Pater Bazil ging unruhig durch den Raum. »Vielleicht haben Sie recht«, sagte er schließlich mit verknitterter Miene. »Ich werde bekennen, was Pater Rochus und mich veranlaßt hatte, einen Beichtvater außerhalb des Klosters zu suchen. Wir … wir haben eine Geliebte.«
Eine einschlagende Granate hätte keine größere Wirkung haben können. »Gemeinsam haben Sie eine Geliebte?« fragte Kriminalmeister Bobak entgeistert.
»Nein, nein, jeder hat … Meine Geliebte ist aber vermögend. Ich hatte niemals Geldsorgen.«
Was ist das nun wieder, dachte Pawel Bobak verwirrt und sah Pater Bazil prüfend an. »War das bei Pater Rochus der Fall?«
»Darüber möchte ich nicht reden.«
»Also hatte er finanzielle Sorgen!«
»Ich sagte, daß ich darüber nicht reden will. Die Sache hat nichts mit der anderen Geschichte zu tun. Sie wollten wissen, wovor ich Angst habe, und das habe ich Ihnen gesagt.«
Pawel Bobak überlegte, wie er fortfahren sollte. Er hatte viel herausbekommen, aber konnte ihm das in der Mordsache weiterhelfen? Geldsorgen konnten natürlich das Motiv der Tat sein. »Noch einmal«, sagte er kurz entschlossen. »Hatte Pater Rochus Schulden?«
»Ganz gewiß nicht.«
»Woher wissen Sie das so genau?«
Der stellvertretende Custos wurde ausflüchtig. »Genau weiß ich es nicht. Pater Rochus hat aber nie erwähnt, daß er Schulden hat.«
»Kennen Sie seine Geliebte?«
»Nein. Er traf sich mit ihr außerhalb von Czenstochau, in Warschau, Wien und anderen Städten.«
»Wie Sie?«
»Nun ja.«
»Der Name der Dame ist Ihnen bekannt?«
»Nein.« Er hob die Hand zum Schwur. »Ich will auf der Stelle sterben, wenn ich Ihnen nicht die Wahrheit sage.«
»Dann habe ich nur noch eine Frage: Wissen Sie, wer der Ermordete ist?«
»Ich würde es Ihnen sagen, wenn ich es wüßte.«
Pawel Bobak gab sich keinen Illusionen hin. Einem Mönch, der fast nebenbei eingestand, eine Geliebte zu haben, konnte er nicht trauen. Wohl hatte er menschliches Verständnis für die Übertretung des Gelübdes der Keuschheit. Die Gelassenheit aber, mit der Pater Bazil darüber hinweggegangen war, verhieß wenig Gutes. Auch wußte er nicht, was er von dem wie zur Entschuldigung vorgetragenen Hinweis halten sollte, seine Geliebte sei vermögend. Lag hier eine gedankliche Fehlleistung vor? Spielte Geld in der Mordaffäre eine Rolle? Wie es auch sein mochte, er hatte in etwas hineingeleuchtet, das den Mord vielleicht einmal erklären, ihm im Moment jedoch nicht weiterhelfen konnte. Seine Aufgabe war es, den Täter festzunehmen. Somit konnte nichts im Augenblick dringender sein, als nach Myszkow zu fahren und mit Propst Jordanski zu sprechen.
Glücklicherweise erreichte er am Nachmittag noch einen Zug. Die Zeit drängte. Spätestens bis zum Abend mußte er sich entscheiden, ob er die Staatsanwaltschaft bitten solle, den Fahndungsbefehl um einen weiteren Tag hinauszuschieben.
Propst Jordanski, ein alter Priester, empfing den Kriminalmeister im Lehnstuhl sitzend. Er hatte die Blässe eines Schwerkranken. Seine faltenreichen Hände lagen auf einer Wolldecke, die um seinen Unterkörper gewickelt war. »Seltsam«, sagte er, als Pawel Bobak ihm vorgetragen hatte, daß er in der Hoffnung gekommen sei, Pater Rochus anzutreffen. »Gestern erhielt ich ein Telegramm, aus dem hervorgeht, daß auch sein Freund der Meinung ist, er halte sich bei mir auf. Das ist aber nicht der Fall. Er war nur
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