Schakale Gottes
ganz kurz hier. Und ich muß Ihnen gestehen, daß er mir Sorge bereitet hat. Er war völlig verändert. Nicht nur äußerlich.« Der Propst lächelte. »Ein verrückter Einfall, sich auf einmal den Bart abnehmen zu lassen. Ich habe ihn im ersten Moment überhaupt nicht wiedererkannt. Zumal er sonst immer die weiße Kutte trug.«
»Diesmal nicht?«
»Nein, er hatte wegen irgendeiner Sondermission, die ihn über die Grenze nach Krakau führen sollte, die Soutane angelegt.«
Pawel Bobak ballte die Fäuste. Zum zweitenmal war er dem Mann begegnet, nach dem er fahndete. Zuerst bei Tadeusz Minka, dann auf dem Bahnsteig in Poraj. Der Geistliche in der schwarzen Soutane mußte Pater Rochus gewesen sein! Er trauerte der verpaßten Gelegenheit aber nicht lange nach. Jetzt wußte er wenigstens, daß der Flüchtige sich getarnt hatte.
Während der Kriminalist in Gedanken schon mit Petrikau telefonierte, erzählte Propst Jordanski, was ihm des weiteren an Pater Rochus nicht gefallen hatte. Der Pauliner sei schrecklich nervös gewesen, habe über Gliederschmerzen geklagt und sich erkundigt, ob es in Zawiercie einen guten Arzt gebe. Er habe ihm einen genannt, doch der Arme sei wahrscheinlich nicht dazu gekommen, ihn aufzusuchen. Denn gerade in dem Moment, da er aufbrechen wollte, sei ein Bauer gekommen und habe inständig gebeten, seiner mit dem Tod ringenden Frau die Sterbesakramente zu erteilen. Da er, der Propst, nicht in der Lage gewesen sei, diesem Wunsche zu entsprechen, habe Pater Rochus sich bereit erklärt, ihn zu vertreten. Er sei dann auch gleich mit dem Bauern davongefahren und habe sich seitdem nicht wieder gemeldet.
Kriminalmeister Bobak lief es kalt über den Rücken. Es war kaum zu glauben. Ein Mörder sollte einer Sterbenden beigestanden und ihr die Letzte Ölung gegeben haben?
Der Staatsanwalt von Petrikau fand Worte höchsten Lobes, als Pawel Bobak ihn telefonisch über die Verwandlung des Pauliners informierte. Er versicherte, den Fahndungsbefehl noch in der nächsten Stunde herausgehen zu lassen und auch die Presse zu verständigen. Spätestens in achtundvierzig Stunden sei der Steckbrief in allen größeren und mittleren Städten bekannt. Dem Kriminalisten empfahl er, in Myszkow zu bleiben, da anzunehmen sei, daß der Gesuchte sich noch im dortigen Raum aufhalte und den Versuch machen werde, über die Grenze in das von Österreich verwaltete Galizien zu flüchten.
Pawel Bobak nutzte die Zeit in seiner Weise. Gleich am nächsten Morgen fuhr er in das Dorf, das Pater Rochus aufgesucht hatte, um der im Sterben liegenden Bäuerin die Letzte Ölung zu erteilen. Mit gemischten Gefühlen stellte er fest, daß der Pauliner bis zu ihrem Tod, der am nächsten Morgen eingetreten war, an ihrer Seite ausgeharrt halte. Beim Abschied hatte der Pater dem Bauern noch fünf Rubel gegeben und ihn aufgefordert, für ein besonders feierliches Begräbnis zu sorgen. Vom Knecht war er dann nach Poreba gebracht worden, von wo er weiter nach Olkusz fahren wollte.
Dieser Hinweis veranlasste einen Kriminalisten, die Initiative zu ergreifen. Er gab allen nahe gelegenen Polizeistationen telefonisch eine Schilderung des Gesuchten und bat um sofortige Verständigung, falls der des Mordes Verdächtige auftauchen sollte. Und er hatte Glück. Noch am gleichen Abend meldete ihm der Polizeibeamte von Lazy, der Apotheker des Ortes sei soeben zu ihm gekommen und habe zu Protokoll gegeben, daß ein unbekannter Geistlicher am Nachmittag bei ihm ein Mittel gegen Gliederschmerzen gekauft habe. Leider habe er erst am Stammtisch erfahren, daß ein als Priester verkleideter Verbrecher gesucht werde. Sonst hätte er sich selbstverständlich früher gemeldet. Im übrigen habe er darauf aufmerksam gemacht, daß ›sein‹ Priester, im Gegensatz zur Polizeibeschreibung, eine Brille getragen habe.
Nichts konnte Pawel Bobak mehr davon abhalten, schnellstens nach Olkusz zu fahren. Die Verhaftung des Paters wollte er nach Möglichkeit selbst vornehmen, um das Kloster Jasna Góra, das infolge des Kleiderwechsels des Geflüchteten im Fahndungsbefehl nicht mehr hatte erwähnt werden müssen, weiterhin heraushalten zu können.
Die Fahrt nach Olkusz brachte ihm nicht den erhofften Erfolg. Keine der in Grenznähe liegenden Polizeistationen konnte etwas Positives melden: der Gesuchte war nirgendwo gesehen worden. Auch in den nächsten beiden Tagen wurde keine Spur entdeckt. Dann aber überstürzten sich die Ereignisse.
Es begann damit, daß dem
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