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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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Schürer, Außenhandelsminister Gerhard Beil, Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski, Finanzminister Ernst Höfner und der Leiter der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik Ernst Donda legen am 31. Oktober dem Politbüro ihre »Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen« vor, die fortan als »Schürer-Bericht« bezeichnet wird.
    Diese Bezeichnung ist so unzutreffend wie ihr Inhalt. In der »Geheimen Verschlusssache« (GVS) wird die Wirtschaft der DDR als zerrüttet und die Staatsverschuldung im Westen als dramatisch dargestellt, die Zahlungsunfähigkeit der DDR stünde unmittelbar bevor, heißt es.
    Nachdem die DDR untergegangen ist, räumen etwa Bundesbank und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ein, dass auch Ende 1989 eine hinreichende Devisenliquidität bestanden habe. In einem Sonderbericht erklärt die Bundesbank 1999, dass die Netto-Auslandsverschuldung der DDR in ihrem letzten Jahr lediglich 19,9 Milliarden D-Mark gewesen sei, knapp zwei Drittel der Verbindlichkeiten wären durch Guthaben der DDR und Kredite gedeckt. (In diesem Kontext soll an die Auslandsverbindlichkeiten Griechenlands erinnert werden: Sie betragen aktuell 375 Milliarden Euro, also rund 750 Milliarden D-Mark, mithin 38 Mal soviel wie die angeblich insolvente DDR. Da nimmt sich die Staatsverschuldung Portugals mit 183 Milliarden im Vergleich mit Griechenland fast bescheiden, aber in Bezug auf die DDR noch immer sehr beachtlich aus.)
    Die Autoren der Politbüro-Vorlage erklären sich später. Man habe in zweckdienlicher Zuspitzung dramatisiert, den Ernst der Stunde deutlich machen und die politische Führung zum raschen und konsequenten Handeln auffordern wollen. Allein die gute Absicht habe sie getrieben. Schürer entschuldigt sich zudem damit, dass er von den Guthaben des Bereiches Kommerzielle Koordinierung keine Ahnung gehabt habe, und Schalck-Golodkowski kann sich darauf berufen, dass er entsprechend den Parteibeschlüssen geschwiegen habe. In die Bilanz der Vorlage, so habe es geheißen, sollten die KoKo-Zahlen nicht einfließen. Für die Unterlassung kann es zwei Gründe geben: Der Auftraggeber hatte nicht annähernd eine Vorstellung von KoKo und den Mitteln, die von den etwa 200 Firmen und juristischen Personen, die im Bereich Kommerzielle Koordinierung arbeiteten, bewegt wurden, weshalb er meinte, diesen Posten vernachlässigen zu können. Oder er fürchtete, zweitens, »Leichen im Keller«, die man besser nicht ans Tageslicht zerrte.
    Ob nun absichtsvoll zweckdienlich überzogen oder konspirativ geschwiegen wurde: Die Wirkung war verheerend. Die vorgelegte Bilanz sandte die unzweideutige Botschaft aus: Die Krise ist nicht mehr zu meistern!
    Letztlich paralysierte diese »Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlussfolgerungen« nahezu den ganzen politischen Apparat der DDR. Aufs Ganze betrachtet war der »Schürer-Bericht« der Sargnagel für die DDR. (Was Egon Krenz in Abrede stellt: Schließlich sei der Bericht erst 1990 öffentlich bekannt geworden und dessen Bilanz ausgewogen gewesen. »Dass er von den Gegnern der DDR anders interpretiert wurde, steht auf einem anderen Blatt.«)
    Egal, der Bericht gab Kritikern und Feinden Recht, das war Wasser auf die Mühlen jener, die schon immer behaupteten, Sozialisten und Kommunisten können nicht wirtschaften, sie würden nur Geld verteilen, aber nicht ordentlich damit umgehen. Die Litanei verschwand im Übrigen nicht mit der DDR aus der Welt, diese Argumentation wird mindestens in jedem Wahlkampf von den Konservativen und Liberalen gebracht
    Ohne einer Verschwörungstheorie das Wort zu reden: War solche Wirkung Kalkül der Autoren? Haben sie mit Absicht den neuen Generalsekretär in die Irre schicken und ihn damit vor eine unlösbare Aufgaben stellen wollen? War dies im Sinne Moskaus? Schließlich vertrat Schürer, wie man vermutet, Moskaus Interessen, er sei, wie es gerüchteweise hieß, ein Mann Nowikows, des KGB-Residenten in Karlshorst, Gorbatschows Statthalter, der in Sachen »Lutsch« unterwegs war.
    Oder hatten noch andere Dienste ihre Finger im Spiel und spitzten zweckdienlich zu? Wer hat da welchen Zug gemacht? Wer zog da an welchen Strippen?
    Wann wird dieses Geheimnis gelüftet?
    Von den Autoren sind inzwischen alle tot, man kann sie nicht mehr fragen. Bis auf Schalck-Golodkowski. Doch der nimmt sich von einem solchen Verdacht aus. Was sein gutes Recht ist. Und der Mann, dessen Name der Bericht trägt, wird explizit von Egon

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