Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
Erzeugnisse, die in der DDR produziert worden waren, weshalb KoKo auch einen Genex-Katalog im Westen verbreitete. Die Geschenkdienst-und Kleinexporte GmbH, kurz Genex, war bereits in den 50er Jahren unter Julius Balkow gegründet, später aber geschäftlich wie auch geografisch von KoKo erheblich erweitert worden. In der Bundesrepublik, in der Schweiz und in Dänemark konnten Bürger mit der dort umlaufenden konvertierbaren Währung via Genex-Katalog Waren erwerben, die direkt an Verwandte und Freunde in der DDR geliefert wurden. Die in den Genex-Katalogen angebotenen Geschenkartikel stammten bis auf Ausnahmen aus DDR-Produktion, die Bandbreite reichte von Pralinen über Pkw bis hin zu Einfamilienhäusern, die in der DDR nur »Neckermannhäuser« genannt wurden. DDR-Bürger im Ausland konnten ebenfalls per Genex ordern.
Die Wandlitz-Bewohner bestellten in der Regel jedoch aus Westkatalogen, selbst Anzeigenausrisse aus Westzeitungen landeten auf den Tisch der »Sonderversorgung«. Das Ärgerliche war einzig die Selbstverständlichkeit, mit der manche diese Dienstleistungen in Anspruch nahmen. Hingegen gab es nicht wenige unter den Funktionären, die
nie
»Sofortaufträge« erteilten.
Es ist albern, auf die Wünsche im Detail einzugehen. Das wurde bereits vielfach in der Vergangenheit mit schmähender Absicht genüsslich getan. Die erfüllten Wünsche waren meist banal, mehrheitlich handelte es sich um Kleidung, was anderenorts auch nicht unüblich war und ist: Da gibt es überall »Hoflieferanten«, die den gekrönten Häuptern ihre Kollektionen offerieren und sich damit schmücken, etwa die Hosenanzüge für Hillary Clinton oder Angela Merkel zu schneidern. Schabowski beispielsweise wollte einmal einen Computer, das dauerte ihm aber über den Laden in Wandlitz zu lange und der Rechner sollte dort auch mehr kosten, als er in einer Anzeige in einer Westberliner Zeitung angeboten wurde – also musste jemand von der »Sonderversorgung« umgehend zu einer Filiale von Radio Wegert in den Westteil der Stadt fahren und ihm dieses Modell besorgen.
Margot Honecker, und damit soll dieses Kapitel beendet werden, bezog ihre Garderobe mehrheitlich vom VEB Exquisit, allerdings fehlte es oft an den passenden Accessoires, auf die sie wie jede Frau mit Geschmack großen Wert legte. Allerdings mochte sie aus prinzipiellen Gründen keine aus der Bundesrepublik, weshalb die »Sonderversorger« – was nun wirklich nicht Margot Honecker anzulasten ist – mitunter die Firmenschilder entfernten und gegen welche aus Österreich oder Italien tauschten. Sie war auch entschieden dagegen, vermutlich aus pädagogischen Erwägungen, dass Enkel Roberto von seinem Opa Computerspiele geschenkt bekam.
Auch Präsente für auswärtige Staatsgäste wurden über diesen Kanal besorgt. Das war jedoch Helmut Schmidt geschuldet, der bei seinem DDR-Besuch Ende 1981 Honecker eine Silberdose schenkte, in welcher des Kanzlers Namenszug graviert war. Nach der Visite ließ Günter Mittag Schalck wissen, dass es vielleicht angeraten sei, wenn Honecker künftig Vergleichbares seinen Gästen überreichen könnte, etwa goldene Taschenuhren mit Gravur. Und so geschah es denn auch.
Anlässlich einer jüngst von Altkanzler Schmidt in einem TV-Film gemachten abfälligen Bemerkung über Honecker sollte man an den Bericht über eben jene Zusammenkunft im
Spiegel
52/1981 erinnern, in welchem es nicht nur hieß: »Zwischen Kanzler und SED-Chef Honecker, beobachteten Teilnehmer, habe sich eine besondere Beziehung entwickelt.« Dort las man auch Sätze wie diese: »Angetan von der guten Gesprächsatmosphäre, ließ Schmidt sich einmal sogar zu der Anrede ›verehrter Freund‹ hinreißen.«
Dafür gab es es dann bei der Abreise in Güstrow einen Drops für den Bundeskanzler aus des Generalsekretärs Manteltasche.
Ob das Bonbon aus DDR-Produktion stammte oder von KoKo besorgt worden war, ließ sich nicht mehr recherchieren. Der Drops ist gelutscht. Vielleicht ist das der Grund, warum Schmidt heute anders über Honecker urteilt als seinerzeit.
»Bring den Alten auf die Beine«
Es ist der 30. November 1989, ein verregneter Donnerstag. Seit zwanzig Tagen gibt es die Grenze nicht mehr. Und kaum noch OP-Schwestern in Wuschechs Krankenhaus in Weißensee. Sie warfen den Bettel hin und bewarben sich auf besser bezahlte Stellen in Westberliner Kliniken. Im Osten leben, im Westen verdienen – wie vor dem Mauerbau.
Auf Wuschechs heutigem Operationsplan stehen sechs
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