Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
Vom Netzwerk:
gewiss jeder seine speziellen Gründe hatte. Margot Honecker zum Beispiel mochte Mielkes Art nicht, sich wichtig zu machen und aufzuplustern, und wenn er meinte, ihr am Telefon etwas stecken zu müssen, sagte sie nur, wofür es Augen-und Ohrenzeugen gibt, das habe sie bereits mit Erich heute beim Frühstück besprochen. Das bedeutete in der Regel das Ende des Anrufs.
    Der »große Erich« erkundigte sich bei dieser Zusammenkunft im März 1974 nach dem Verbleib der Beträge, die über die evangelische Kirche der Bundesrepublik in die DDR flossen. Das waren Gelder, die für den sogenannten Freikauf von Häftlingen gezahlt wurden, was weder Gnadenakt noch Sklavenmarkt war: Die DDR wünschte nur die Ausbildungskosten zurück.
    Das war schlechterdings nicht möglich bei den rund drei Millionen Facharbeitern, Ärzten, Ingenieuren, Wissenschaftlern, Krankenschwestern etc., die bis zum Mauerbau der DDR den Rücken gekehrt hatten und dann durch ihre qualifizierte Arbeit zum Wirtschaftswunder der Bundesrepublik beitrugen. Jetzt aber, nachdem die Grenze gesichert und der Verkehr mit der BRD durch einen Grundlagenvertrag geregelt war, konnte man auch darüber verhandeln.
    Dieser neudeutsch »Braindrain« bezeichnete Vorgang, also die Abwanderung und Abwerbung gut ausgebildeter Fachkräfte, musste nicht mehr stillschweigend hingenommen werden, schon gar nicht, wenn es sich um eine beantragte Ausreise handelte, die zudem von der Bundesrepublik unterstützt wurde.
    Im
Spiegel
vom 13. April 1970 entrüstete man sich, dass DDR-Ministerpräsident Stoph bei seinen soeben erfolgten Treffen mit Kanzler Brandt in Erfurt und Kassel diesem eine Rechnung über 100 Milliarden D-Mark präsentiert hatte. Dem
Industriekurier
war die Summe »unerklärlich«, die
FAZ
nannte sie »grotesk«.
    Aber dann fragte der
Spiegel
einige Leute, die sich damit auskannten, und die rechneten vor. Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Fritz Baade, Bundestagsabgeordneter der SPD seit 1961, sagte, die Ausbildungsinvestitionen, die der DDR bis zum Mauerbau verloren gegangen seien, betrügen rund 45 Milliarden D-Mark. Reparationsexperten erklärten, die von der DDR zwischen 1945 und 1954 geleistete Wiedergutmachung an die Sowjetunion (Lieferungen aus der laufenden Produktion, Demontagen, Beuteaktionen) beliefe sich auf 45 bis 66,4 Milliarden. Der Nationalökonom Hans Apel, Professor in den USA, kam in seinem 1966 erschienenen Buch »Wehen und Wunder der Zonenwirtschaft« zu dem Schluss, dass der gesamte Substanzverlust der DDR-Wirtschaft durch Abwanderung und Kriegsfolgelasten auf etwa 107 Milliarden D-Mark käme.
    Walter Ulbricht hatte 1965 bereits von rund 120 Milliarden gesprochen. »Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den Reparationen, die die DDR für ganz Deutschland geleistet hat, unseren Verlusten an Nationaleinkommen durch Produktionsausfall, durch den gesellschaftlichen Aufwand für den Unterhalt, die Erziehung und die Ausbildung der abgeworbenen Kader, durch Grenzgängerei in Westberlin, durch den Schwindelkurs und den Schmuggel nach Westberlin sowie einige andere Verluste.« Aber, und das unterschied ihn vielleicht von seinem Nachfolger, Walter Ulbricht zeigte sich generös. »Wir sind bereit«, so der Staats-und Parteichef, »einen Teil dieser Summe den westdeutschen Gewerkschaften treuhänderisch zum Zwecke der Gewinnung des entscheidenden Einflusses in westdeutschen Konzerngesellschaften zu überlassen.« Es war die Zeit, in der man die paritätische Mitbestimmung zur Herstellung eines vermeintlichen Gleichgewichts von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Aufsichtsräten der Unternehmen wieder einmal in der Bundesrepublik diskutierte.
    Auf solche ironisch gemeinten »Investitionen« lässt man sich zehn Jahre später in der DDR-Hauptstadt nicht ein. Das Geld fließt, wie von den Unterhändlern Wolfgang Vogel und Alexander Schalck-Golodkowski eingefädelt, à conto von West-nach Ostberlin und wird vom Bereich Kommerzielle Koordinierung verbucht.
    Erich Honecker möchte nunmehr eine exakte Übersicht über diese Zahlungseingänge, und fortan sollen diese nicht mehr von KoKo, sondern auf einem Sonderkonto verbucht werden, über das allein der Generalsekretär verfügt.
    Dieses Konto richtet Schalcks Stellvertreter Manfred Seidel unter der Nummer 0628 bei der Handelsbank ein. Honecker entscheidet, wofür welcher Betrag zu verwenden ist, aber selbst hat er keine Verfügungsberechtigung. Nur Schalck und Seidel gemeinsam können Überweisungen

Weitere Kostenlose Bücher