Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
die kaufmännische Seite.
Zu Beginn der 70er Jahre verhandelte Schalck-Golodkowski mit König über das Areal des Potsdamer Bahnhofs, einen schmalen Streifen von 85.000 Quadratmetern, der zur DDR-Hauptstadt gehörte, aber als Niemandsland zwischen Tiergarten, Kreuzberg und Mitte brach lag. Westberlin zeigte sich daran interessiert.
Nun hätte man gewiss einen Gebietsaustausch gegen Westberliner Exklaven auf DDR-Territorium vornehmen können, doch Schalck machte daraus ein lukratives Immobiliengeschäft. König, also der Westberliner Senat, bot 25 Millionen D-Mark, Schalck forderte zehn Millionen mehr. Am Ende bekam er respektive die DDR 31 Millionen.
Allerdings trug das der DDR in Moskau gehörigen Ärger ein, weshalb Honecker wütend Schalcks geheime Gespräche mit König über den Verkauf des angrenzenden Lenné-Dreiecks, auf dem einst das Columbushaus gestanden hatte, zunächst stoppte. Die sowjetische Führung hatte über ihre Kanäle erfahren, dass Geld geflossen war, und bei Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf. Man habe unter großen Opfern Berlin befreit, da gehe es nicht an, Gebiete an den Feind zu verkaufen, kam die Botschaft aus Moskau.
Natürlich war das demagogisch: Dass die Westsektoren der Stadt von den einstigen Verbündeten in der Antihitlerkoalition besetzt und unverändert beherrscht wurden, war ja nicht Schuld der DDR – sofern sich die Schuldfrage angesichts der Nachkriegspolitik der Großmächte überhaupt stellte. Und aufgrund der Preisgabe der ganzen DDR durch die Sowjetunion 1989/90, wofür auch Geld geflossen ist, verbietet sich heute jeder diesbezügliche Kommentar von selbst. Gleichwohl schlug die Veräußerung des Areals des Potsdamer Bahnhofs damals heftige Wellen. Erich Honecker, mit Moskaus Hilfe kurz zuvor Erster Sekretär des ZK der SED geworden, gab den Unmut an Stoph und Mielke weiter, diese hatten schließlich (gleich ihm) Schalcks Vorgehen gebilligt.
Zur historischen Wahrheit gehört aber auch anderes, was hier nicht ausgeblendet werden sollte, weil es die subjektive Verantwortung der Beteiligten doch ein wenig relativiert. Das ist in Zeiten, in denen die Rolle einzelner Persönlichkeiten für den Verlauf der Geschichte gemeinhin sehr überhöht wird, nicht unerheblich.
Den politischen Gezeitenwechsel hin zu einer Politik der Entspannung markierte das Vierseitige Abkommen über Berlin, das am 3. September 1971 in der einstigen Alliierten Kommandantur in (West-) Berlin nach langen Verhandlungen unterzeichnet worden war. Darin gestanden die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich unter anderem dem Berliner Senat und der DDR-Regierung das Recht zu, über streitige Territorien direkt miteinander zu verhandeln. Am 21. Dezember 1971 wurde eine »Vereinbarung über die Regelung von Enklaven durch Gebietsaustausch« geschlossen. Diese Vereinbarung trat zusammen mit dem Vierseitigen Abkommen der Siegermächte am 3. Juni 1972 in Kraft.
Gemäß dieser deutsch-deutsche Regelung bekam die DDR 15,6 Hektar und Westberlin 17,1 Hektar zugesprochen, darunter eben auch jene 8,5 Hektar mit dem (heutigen) Potsdamer Platz, die Dank Schalcks Verhandlungsgeschick der DDR-Devisenkasse jene 31 Millionen D-Mark eintrug.
1988 sollten noch einmal knapp hundert Hektar an Westberlin gehen, darunter auch das Lenné-Dreieck und ein Streifen an der Bernauer Straße, auf dem sich heute der »Mauerpark« befindet. Für alles zahlte der Senat nach vierjährigen Verhandlungen 76 Millionen D-Mark. Dies soll nicht ohne den ausdrücklichen Hinweis erwähnt worden sein, dass – entgegen anderslautenden Behauptungen – keine Seite damals davon ausging, dass schon nach einem reichlichen Jahr sich die Teilung der Stadt erledigt haben würde. In Westberlin, Bonn und in der Hauptstadt der DDR ging man vom unbefristeten Fortbestand des Status quo aus. Für so marode, pleite und politisch instabil, wie später und noch immer behauptet, hielt man die DDR wahrlich nicht, dass man ihr nahes Ende vor Augen gehabt und die Millionen lieber behalten hätte.
Mit dem Ende 1972 unterzeichneten und ein halbes Jahr später inkraft gesetzten Grundlagenvertrag wurden die Karten im deutsch-deutschen Spiel neu gemischt. Vorausgegangen waren Verträge der Bundesrepublik mit der Sowjetunion und mit Polen (beide 1970) und das Vierseitige Abkommen der Alliierten über Berlin mit einem Transitabkommen zwischen der BRD und der DDR im Gefolge. Zu dieser neuen Ostpolitik der von Kanzler Willy Brandt geführten
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