Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
UdSSR als Bundesgenossen nicht würde existieren können. Dessen war sich auch Walter Ulbricht bewusst. Er wollte nicht die eine Abhängigkeit gegen eine andere tauschen. Sondern: »Wir wollen […] echte Kooperation.«
Die sollte bis zum Untergang der DDR nie zustandekommen.
Nach Pöhl wurde 1975 Schalcks geheimer Gesprächspartner Carl-Werner Sanne, ein Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt, mit dem ein Treffen zwischen Schmidt und Honecker am Rande der KSZE-Konferenz 1975 in der finnischen Hauptstadt arrangiert wurde.
Danach wurde es Günter Gaus – von 1974 bis 1981 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik
bei
(nicht
in
) der DDR, worauf der vormalige
Spiegel
-Chefredakteur und hanseatische Sozialdemokrat großen Wert legte. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass der Gesprächsfaden zwischen Bonn und Berlin nicht riss. Und er drohte gekappt zu werden, als eine neue Eiszeit zwischen den Großmächten anbrach und die Sowjetunion alle laufenden Abrüstungsverhandlungen mit Aplomp verließ.
Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte in den auslaufenden 70er Jahren eine »Raketenlücke« auf westlicher Seite ausgemacht. Die Sowjetunion vulgo der Warschauer Pakt erlangte nach seiner Überzeugung durch die seit 1976 laufende Ersetzung seiner Mittelstreckenraketen durch SS-20 eine nicht hinnehmbare Überlegenheit. Daraufhin fasste die NATO Ende 1979 auf sein Drängen den sogenannten Doppelbeschluss: Sie rüstete
nach
, indem sie in Westeuropa Pershing II und Cruise Missiles stationierte – und bot dem Warschauer Pakt Verhandlungen über die Begrenzung atomar bestückter Mittelstreckenraketen der UdSSR und der USA an; die britischen und die französischen Nuklearwaffen wurden explizit davon ausgenommen.
Das war die demagogische Tünche für die angebliche Nachrüstung, die in Wahrheit eine Vorrüstung war. Die neuen operativ-taktischen Mittelstreckenraketen der NATO erreichten auch die Basen in der Sowjetunion mit den Interkontinentalraketen und wurden damit zu strategischen Waffen – während die sowjetischen Mittelstreckenraketen lediglich Ziele in Westeuropa, nicht aber die Interkontinentalraketen in den USA erreichten. Das waren natürlich alles nur theoretische Überlegungen, und angesichts der Option des mehrfachen Overkills ohnehin aberwitzig. Aber, und das war das Problem: Die Sowjetunion stationierte als Antwort in der DDR und in der CSSR unmittelbar hinter den Grenzen atomar bestückte Kurzstreckenraketen, womit die Vorwarnzeit auf wenige Minuten schrumpfte und die Gefahr dramatisch zunahm, dass durch einen Computer-oder anderen technischen Fehler eine Katastrophe ausgelöst werden könnte.
Nahezu zeitgleich mit dem NATO-Beschluss marschierten sowjetische Truppen in Afghanistan ein, um der dort seit anderthalb Jahren herrschenden Demokratischen Volkspartei zu Hilfe zu eilen, die ein von der CIA initiierter und finanzierter Bürgerkrieg hinwegzufegen drohte. Auf die Intervention reagierte der Westen unter anderem mit einem Boykott der Olympischen Spiele im Sommer 1980 in Moskau, worauf sich sukzessive die Sowjetunion aus allen Abrüstungsverhandlungen und -gesprächen zurückzog.
Die USA besetzten Grenada, ein etwa 350 Quadratkilometer großes Eiland in der Karibik, dort hatte das Militär 1979 eine reaktionäre, von den USA ausgehaltene Diktatur gestürzt und Kontakte zu Moskau und Havanna geknüpft, was den seit 1981 amtierenden US-Präsidenten Roald Reagan, einem erklärten Falken, zur militärischen Besetzung der Insel veranlasste. Das geschah im Oktober 1983 – einen Monat zuvor war im sowjetischen Luftraum ein koreanischer Jumbo mit 269 Menschen abgeschossen worden …
In jenen Jahren stand der Weltfrieden auf des Messers Schneide, der Kalte Krieg war nach Jahren der Entspannung sichtlich in die internationalen Beziehungen zurückgekehrt.
Honecker scherte aus der von Moskau den Verbündeten verordneten konfrontativen Linie aus und versuchte, eigenmächtig eine blockübergreifende »Koalition der Vernunft« zu schmieden. Der in den 40er Jahren von Antifaschisten geleistete Schwur, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen dürfe, veranlasste ihn, die atomar bestückten Mittel-und Kurzstreckenraketen, die in den beiden deutschen Staaten von den Großmächten installiert worden waren, unterschiedslos als »Teufelszeug« zu bezeichnen, das verschwinden müsse. Das hörte man in Moskau gar nicht gern. Erich Honecker spielte mit seinem politischen Schicksal.
Sein Beauftragter und geheimer
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