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Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)

Titel: Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schumann , Heinz Wuschech
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deutsch-deutscher Unterhändler Schalck-Golodkowski konferierte unterdessen intensiv mit Günter Gaus, wohl wissend, dass eine ökonomische Verzahnung friedenserhaltend wirkte. Im Krieg konnten Konzerne nichts verdienen.
    Die meisten inoffiziellen Gespräche fanden beim Frühstück statt, und sie erfolgten – da Gaus von Haus aus Journalist war – in meist lockerer Atmosphäre. Schon ihr zweites Treffen im Jahr 1975 eröffnete Gaus mit der entwaffnenden Frage: »Wollen wir über Formalitäten reden oder erst einmal übers Geld?«
    Der Kaufmann Schalck hielt sich bei Letzterem für versierter, und so sprach man über Transitpauschalen, Mindestumtausch und dergleichen, bis Schalck merkte, dass er sich hinsichtlich seiner eigenen Fähigkeiten und der Möglichkeiten von Gaus getäuscht hatte. Er kannte zwar den entsprechenden DDR-Teil, nicht aber Hintergründe und Gesetze, die davon in der Bundesrepublik tangiert wurden. In der DDR wurde zentral »durchgestellt«, in Bonn mussten verschiedene Ministerien, Behörden und private Unternehmen konsultiert und in Entscheidungen einbezogen werden. Da waren mitunter die Wege lang und steinig, ehe eine Eisenbahn-oder Auto-trasse und deren Finanzierung standen.

Schalck und »die Sicherheit«
    Dass der Staatssekretär im Ministerium für Außenhandel nicht nur der DDR abstrakt diente, sondern konkret auch bestimmten Dienststellen, war den meisten seiner Gesprächspartner im Westen bewusst. Aversion und schlotternde Angst vor dem MfS befielen einige erst nach der »Wende«, wobei mancher Amtsträger im Westen zudem vergaß, selbst den eigenen Geheimdiensten zu Diensten gewesen zu sein. In Großbritannien und in den USA galt es lange Zeit als Ehre, von den nationalen Geheimdiensten angesprochen zu werden; es gehörte zum patriotischen Selbstverständnis, auf diese Weise seinem Land zu dienen.
    Günter Gaus ging mit diesem Wissen ganz offen um. Schon beim Beginn ihrer Bekanntschaft setzte er Schalck die Pistole auf die Brust. Es gehe das Gerücht, sagte er und blinzelte über den Rand seiner Hornbrille, dass Schalck-Golodkowski über besonders gute Beziehungen zur Staatssicherheit verfüge.
    Nun war aus verschiedenen Gründen dieser nicht bereit, sich gegenüber dem – wenngleich sympathischen – Vertreter der fremden Macht zu offenbaren: Jawohl, Herr Gaus, ich bin im Zweitberuf auch Offizier des MfS im besonderen Einsatz, und zwar im Range eines Oberstleutnants. Schalck wählte stattdessen eine diplomatische Formulierung, mit der er die Vermutung von Gaus bestätigte und sich dennoch bedeckt hielt. Das Gerücht träfe insofern zu, als er in seiner Funktion als Staatssekretär sich für alle Belange des Staates, also auch für dessen Sicherheit, zuständig fühle. Das gelte gewiss auch für ihn, für Staatssekretär Gaus.
    Gaus griente und füllte zwei Gläser …
    Der Ständige Vertreter hatte keineswegs nur auf den Busch geklopft, denn bereits das erste Zusammentreffen war derart konspirativ eingefädelt worden, dass man mit dem Klammersack hätte gepudert sein müssen, um nicht zu ahnen, wer dabei die Strippen zog und in diese Treffen mit eingebunden war. Gaus war ausgeschlafen genug. Denn nachdem ihm Schalck am Telefon eine Personenbeschreibung von sich geliefert, das Pkw-Kennzeichen und den Parkplatz genannt hatte, auf dem Gaus zusteigen sollte, hatte der nur lakonisch gefragt, ob er sich aus Gründen der Tarnung auch einen Bart umhängen solle.
    Beiden war bewusst, dass ihre Gespräche geheim bleiben mussten. Bekam die Westpresse davon Wind, hatten sie sich erledigt. Aus diesem Grunde musste das MfS dafür sorgen, dass niemand – weder in West noch in Ost – erfuhr, dass zwischen Bonn und Berlin inoffiziell verhandelt wurde.
    Angesichts der Eskalation des Kalten Krieges zwischen den Großmächten wäre das für beide Seiten tödlich gewesen.
    So gesehen machte das MfS auch Außenpolitik. Zum Nutzen beider deutscher Staaten.

Schalck und Mittag
    Günter Mittag vermochte es, sich Honecker unentbehrlich zu machen. Mit 32 Jahren war der promovierte Verkehrswirtschaftler in die Parteispitze aufgestiegen: Er wurde Sekretär der Wirtschaftskommission beim Politbüro. 1966 kam er ins Politbüro, auf dem IX. Parteitag der SED machte ihn Honecker zum ZK-Wirtschaftssekretär. In jenem Jahr war Mittag von Honecker auch zum Leiter der Arbeitsgruppe BRD/Westberlin bestimmt worden. Damit war Mittag nächst Honecker in der Deutschlandpolitik der DDR die wichtigste Person.
    Schalck war

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