Schalck-Golodkowski: Der Mann, der die DDR retten wollte (German Edition)
formell Sekretär dieses Gremiums, dem die Politbüro-Mitglieder Hermann Axen, Werner Krolikowski und Paul Verner angehörten sowie der Chef der Staatlichen Plankommission Gerhard Schürer, Vizeaußenminister Kurt Nier, zuständig für Westeuropa, insbesondere BRD und Westberlin, sowie der Leiter der Abteilung Verkehr im ZK der SED. Das war bis 1984 Herbert Häber, danach Gunter Rettner.
Diese Gruppe sollte vorgeblich die Westpolitik der SED bzw. der DDR bündeln, denn die politischen und wirtschaftlichen Kontakte in die Bundesrepublik und nach Westberlin waren inzwischen sehr breit gefächert. Sie sollten – zur besseren Kontrolle – künftig durch dieses Nadelöhr geführt, also gesteuert werden.
Aber wie die meisten Einrichtungen ihrer Art handelte es sich um eine Alibiveranstaltung: Letztlich war die Politik der DDR gegenüber der Bundesrepublik und Westberlin »Chefsache«. Das hatte im Übrigen Honecker auf Nachfrage Schmidts bei ihrem Treffen am Werbellinsee 1981 auch so dargestellt. Für die Außenpolitik sei er verantwortlich, für die Parteibeziehungen Axen, und der Außenminister Fischer unterstünde ihm direkt, womit gesagt war: Oskar Fischer habe nichts zu bestellen.
Nicht ganz abwegigen Vermutungen zufolge war diese Arbeitsgruppe auch installiert worden, um Personen wie Verner und Krolikowski, die zur sogenannten Moskau-Fraktion gehörten, einzubinden und damit zu paralysieren. Krolikowski, das sollte nach 1990 publik werden, unterrichtete die sowjetische Führung über interne Diskussionen in der SED-Spitze; er war deren wichtigster Informant im Politbüro.
Zwar war die Arbeitsgruppe insofern nicht untätig, als Schalck mit Honeckers Mandat und von Mittag instruiert als Unterhändler sehr aktiv war, wofür eigens bei KoKo eine fünf-bis siebenköpfige Abteilung eingerichtet wurde. Sie bereitete die inoffiziellen Gespräche mit Beauftragten der Bundesregierung und des Westberliner Senats vor und nach, sie schrieb die Papiere, die Honecker und Mittag zur Bestätigung vorgelegt wurden.
Bundeskanzler Helmut Schmidt besuchte vom 11. bis 13. Dezember 1981 die DDR. In den Jahren zuvor waren verschiedene Überlegungen angestellt worden, wie die beiden Spitzenpolitiker zusammenkommen könnten – unterhalb der offiziellen protokollarischen Ebene. Etwa so beiläufig wie in Helsinki am Rande der KSZE-Abschlusskonferenz 1975. Denn – nur zur Erinnerung – gegen ein offizielles Gipfeltreffen gab es auf beiden Seiten des Zaunes erhebliche Widerstände. In der Bundesrepublik weigerte man sich gegen eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR, obgleich man doch gemeinsam seit 1973 in der UNO saß. Aber man sträubte sich, unter Berufung aufs Grundgesetz, der von Willy Brandt erfundenen Formel von den zwei deutschen Staaten in Deutschland die letzte Konsequenz folgen zu lassen. Etwa dass ein Staat auch Staatsbürger habe, für die kein anderer Staat handeln oder sprechen kann. Oder dass ein Staat in einem anderen als eigenständiges Völkerrechtssubjekt durch eine Botschaft und nicht nur durch eine »Ständige Vertretung« präsent war …
Aber um des lieben Friedens willen und mit Rücksicht auf die Falken im eigenen Lager dachte man über verschiedene Optionen nach. So hielt man es für denkbar, dass der Segler Schmidt bei einem Törn in die östliche Ostsee zufällig in Rostock-Warnemünde festmachte. Oder dass er das Grab seines Sohnes Helmut Walter bei Bernau nordwestlich von Berlin besuchte. Loki Schmidt, seine Frau, war wegen der Bombardierung Hamburgs zu einer Tante nach Bernau gezogen, dort hatte sie im Juni 1944 einen behinderten Sohn zur Welt gebracht, welcher im Februar 1945 verstarb und auf dem kleinen Dorffriedhof von Schönow beigesetzt worden war. Die DDR-Organe hatten dies herausgefunden, und man hielt es für denkbar, dort ein Treffen zu arrangieren, denn Wandlitz lag kein halbes Dutzend Kilometer von dort entfernt.
Auch dieser Plan wurde verworfen, doch der Vollständigkeit halber sei angefügt: Unterhändler Wolfgang Vogel und Herbert Wehner veranlassten die Aufstellung eines Grabsteins, eines Findlings, mit dem Namen von Helmut Schmidts Sohn. Das Grab hat zumindest Loki Schmidt in den 80er Jahren zweimal besucht, der Efeu, der das Grab – welches fast weltpolitische Bedeutung erlangt hätte – inzwischen überwuchert, stammt aus Hamburg. Loki Schmidt hatte ihn in einem kleinen Topf von dort mitgebracht.
Nachdem aber eine offizielle Staatsvisite des Bundeskanzlers und seine Ankunft in
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