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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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zu mir zu treten, als der Junker davongeritten war. »Ich hoffe, er brachte keine schlechten Nachrichten.«
    »Nein«, erwiderte ich. »Keine schlechten Nachrichten.«
    »Du siehst aber auch nicht so aus, als wären es gute gewesen«, meinte sie und wartete neugierig. Als ich nicht reagierte, ging sie pfeifend davon.
    Ich war weit entfernt von ihr. Nichts von Aralets Äußerungen, weder ihre Freundlichkeit noch ihre Neugier, schienen mich zu erreichen, ebenso wenig wie am vorangegangenen Abend der Haß der königlichen Soldaten. Ich beobachtete sie alle und das emsige Treiben des Lagerabbruchs der Karawane, als stünde das alles in keinerlei Zusammenhang mit mir, Fia. Es war, als bildeten alle anderen die Figuren, die aus einem Geschichtenspielernebel herausgegriffen und auf einem anderen Tisch aufgestellt worden waren, um ihre eigene Geschichte zu spielen. Nur Brant und Jorry hatten an meiner Geschichte Anteil – und Leonore, für die sie zu Ende war. Nur Brant und Jorry erschienen mir nicht als entfernte Figuren, die man über eine weite Kluft hinweg in großer Ferne beobachtete.
    Aber Brant und Jorry waren nicht hier. Bis ich sie wiederfände, bis wir diese Geschichte zum Abschluß brächten, die Leben veränderte und durchkreuzte, war ich von den Gestalten anderer Männer und Frauen in deren anderen, von mir losgelösten Leben abgeschnitten. Ich war von der Welt um mich her so sicher abgetrennt, wie Brants Armknochen in seiner Zelle unterm Priesterheim von ihm abgetrennt worden war. Es ergab keinen Sinn, aber es war so. Rings um mich her war Nishels Karawane mit Zelten, Staub und Lagerfeuern, doch sie hätte genauso gut gar nicht existieren können. Ich war bis auf den beiden nicht anwesenden Gestalten gegenüber wie betäubt.
     
    *
     
    Es gibt nichts Erinnerungswürdiges von der staubigen Reise aus den Bergen von Veliano nach Frost, der nächsten der Silberstädte, bis auf eines.
    Vier Tage lang ritten wir bergab durch alte Baumschneisen, die durch frische, bereits ausgeweitete und vom Edelsteinhandel festgetrampelte Pfade deutlich gezeichnet waren. Die Wege waren staubig von der Sommerhitze. Nishels Lasttiere stampften entweder sorglos mit gesenkten Riesenköpfen durch den Staub, den sie aufwirbelten, oder sie bahnten sich vorsichtig ihren Weg zwischen den Steinen steiler Pfade hindurch, die auf einer Seite zu den Bergspalten abfielen. Zwischen Pässen und Abgründen lagen kleine Dörfer. Die früher einst von den Weidetieren gelebt hatten, waren vom neuen Handel an roten und blauen Steinen wohlhabend geworden und betrieben behagliche Gasthöfe, in denen das Fachwerk noch kaum vom Wetter angegriffen war und wo der Wein für die verwöhnten Stadtzungen zuwenig abgelagert schmeckte. Manchmal sang Aralet in einem Gasthaus, oder die beiden Gaukler und die drei Clowns, die mit Nishels Karawane durch die Berge gezogen waren, traten für die örtlichen Gutsbesitzer und Bauern auf. Ich gab keine Vorführung.
    »Spiel uns eine Geschichte«, forderte mich Nishel eines Abends in einem solchen Gasthof auf. Die Karawane hatte gerade draußen ihre Zelte aufgeschlagen; ihre Lieder und Belustigungen wurden durchs offene Fenster hereingetragen, wo ich mit Aralet, Nishel und einem Halbdutzend Händlern, ihren derzeitigen Frauen und zwei der Clowns im Schein des Feuers saß. Die Schanktische vor uns waren feucht von verschüttetem Bier, und der Feuerschein flackerte auf Aralets hellen Zöpfen und dem blauen Velianostein, den Nishel mit einem Lederband in sein langes Haar geknotet hatte.
    »Ich spiele keine Geschichten mehr«, erklärte ich.
    »Was? Eine Geschichtenspielerin, die ihre Kunst vergessen hat«, spöttelte Nishel.
    »Oder sie mit ihrer eigenen üblen Laune vernichtete«, meinte ein anderer Händler namens Caphad.
    »Ich dachte, Caphad, du hieltest alle Frauen für übellaunig?«
    »Insbesondere, wenn sie nicht mit ihm ins Bett wollen«, bemerkte Aralet boshaft, daß schallendes Gelächter erklang. Ich hatte ihn zurückgewiesen, und das grober, als es richtig gewesen wäre.
    Nishel kippte den Kopf nach hinten, um Bier in seine Kehle zu schütten; der blaue Edelstein funkelte in seinem Haar. »Wie dem auch sei«, beharrte er und wischte sich mit dem Handrücken das Bier vom Mund, »ich hätte gerne eine Geschichte. Wie hoch ist dein Preis, Geschichtenspielerin? Könntest du uns für den rechten Preis eine neue Geschichte aus diesem hinterwäldlerischen Königreich spielen, eine, die wir nicht schon bis zum Überdruß

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