Schalmeienklänge
im Augenblick nicht die Aufmerksamkeit auf sich lenken, indem sie derzeit auf meine Geschichten einwirkte. Sie würde abwarten. Brant hatte mir das Wohlwollen des Königs verschafft; ich nahm nicht an, daß seine Absichten, wie immer sie auch sein mochten, mein Geschichtenspiel so bald stören würden. Und Rofdal, der wie jeder andere Gönner nicht bereitwillig einsehen würde, seine Gunst an einen falschen vergeben zu haben, wäre disponiert, an allem, was ich vorführte, Gefallen zu finden, und so wurde er einfach zu einem weiteren arglosen Provinzzuschauer, dem mehr von dem gefiel, was er vorher genossen hatte.
Ich spielte für ihn die »Prinzessin und der Seedrache« und verlieh der Prinzessin Lady Cyndas Gesicht. Ein Atemstocken, ein Jubelschrei des Hofes, und der Erfolg war mir sicher. Es ging fast zu leicht. Woran ich nur dachte, es wurde zu lebenden Bildern zwischen meinen Händen, die ganz nach meinem Willen und im Dienste jeder Schmeichelei veränderbar waren. Ein Wandel von einem Gesicht zum anderen, eine kräftige Farbe, eine schnelle Bewegung, und schon war das Publikum zufrieden.
»Erstaunlich!« erklärte Rofdal, als ich fertig war. »Eine höchst phantasiereiche Kunst, Geschichtenspielerin. An irgendeinem Abend wollen wir noch einmal den heldenhaften Krieger und T’Nig sehen, aber erst, nachdem du uns alle diese neuen und komplizierten Märchen vorgeführt hast.« Und er lächelte aus seinen Fleischfalten erst mich, dann Brants Ehefrau an, die die Augen zu Boden schlug und wie eine Schauspielerin auf ein Stichwort errötete.
»Lady Cynda ist zu bescheiden, dich für deine Ehrerbietung zu belohnen«, sagte Rofdal. »Sie gibt lieber vor, nicht die schöne Prinzessin aus deinem Märchen zu sein. Also fällt es mir zu, dich zu belohnen, da doch der König die Bürde seiner Untertanen trägt.« Und so zog er einen der vielen Ringe von seiner Hand, der mit Velianos unvergleichlichen scharlachroten Edelsteinen besetzt war. An der Art, wie er die Handbewegung ausführte, ohne daß sein Blick jemals von meinem Gesicht gewichen wäre, sah ich, daß er es schon viele Male zuvor gemacht haben mußte, und daß diese impulsive Großzügigkeit gegenüber einer gemeinen Bürgerin einer der Gründe sein mußte, daß er so beliebt war. Und doch war es auch nicht ganz der Trick eines Schauspielers. Er wartete auf meine Dankbarkeit wie ein Vater, der einem Lieblingskind ein langersehntes Spielzeug schenkte, und ich enttäuschte ihn nicht. Immer und immer wieder bedankte ich mich. Auch ich schauspielerte nicht: Vom Stein des Ringes könnten Jorry und ich ein halbes Jahr leben.
Nur, daß ich Jorry gar nicht ernähren mußte.
Inmitten des zweifachen Gemurmels der Höflinge angesichts ihres Vergnügens an meiner Geschichte und ihrer Einschätzung meines Geschenkes sah ich schließlich zu Brant. Während meiner ganzen Vorführung hatte ich ihn nicht angeschaut. Ich hatte zu große Angst gehabt, ihm könnte auffallen, daß ich niemals zuvor eine Störung meiner Trance riskiert hatte, und könnte sich nun fragen, warum das aber jetzt der Fall war. Um dem vorzubeugen, hatte ich meine alberne Geschichte so dargeboten wie immer: mit gesenktem Kopf und auf meine Hände gerichtetem Blick. Nun aber sah ich ihn direkt an, wie er ein wenig abseits von den restlichen Höflingen stand, von denen ihn keiner in die Flüstereien und Vermutungen einbezog, die ihm jedoch alle erheiterte, unbehagliche oder abschätzige Blicke zuwarfen wegen meines vorsichtigen öffentlichen Scherzes, daß der König ihn zum Hahnrei gemacht hatte.
Er erwiderte meinen Blick, als hätte er mich nie zuvor gesehen.
Er wirkte ungerührt und steinern, als wüßte er nicht, daß der Klüngel der Königin durch mich erfahren hatte, daß er nach den Weißen Schalmeien suchte, als hätte ich nicht gerade die Untreue seiner Frau bespöttelt, als wartete nicht der ganze Hof neugierig auf seine Reaktion. Mit einem plötzlichen Frösteln wandte ich den Blick ab. War seine Reaktion auf mich die Selbstbeherrschung eines geübten Höflings, der in der Lage war, seine wirklichen Ziele und Verpflichtungen zu verheimlichen? Oder war es die Gleichgültigkeit des Handwerkers, der ein Werkzeug abschätzte und zu beurteilen versuchte, wie ich ihm weiterhin nützlich sein könnte?
Ich wollte gar nicht weiter darüber nachdenken, was mich dazu verleitet hatte, der Seedrachenprinzessin Cyndas Gesicht zu geben.
Ruhig und mit Rofdals Ring fest in der Faust schlüpfte ich aus dem
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