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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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sondern eine heimkehrende Gruppe unserer eigenen Leute. Deine Omen haben dich wohl schlecht informiert.«
    »Was für eine Gruppe?« erkundigte sich der Obergärtner, der bis zu diesem Zeitpunkt Braten und Pastete gegessen hatte.
    »Heimkehrende Edelleute«, berichtete der Arzt mit arrogantem Gehabe, als wäre ihr gesellschaftlicher Stand alles, was der Gärtner bei seinem Stand wissen durfte oder konnte. Der Gärtner errötete und aß weiter – ein kräftiger, ruhiger, gescheiter Mann, der müßige Streitereien nicht mochte.
    Ich bemerkte so beiläufig, wie ich nur konnte: »Sollte das Lord Brants Gesellschaft sein?«
    Der Arzt zögerte; für den langen Augenblick eines heftigen Herzklopfens dachte ich, er würde mich völlig ignorieren. Dann sagte er: »Nein.«
    Jetain schüttelte den Kopf. »Mylord Brant fehlt ausgerechnet beim schönsten Wetter in Veliano.«
    »Er selbst scheint aber niemandem zu fehlen«, meinte der Waffenmeister boshaft und warf einen Blick zu dem erhöhten Tisch, wo Cynda mit dem König speiste. Der Arzt schaute ihn verächtlich an, Jetain blickte mit Stirnrunzeln auf ihren Teller, und ich zog mich mit einer Entschuldigung vom Tisch zurück und verabscheute mich für den täglichen Eiertanz, mich nach Brant zu erkundigen, ohne daß es auffiel. Meine Frage beiläufig und belanglos zu gestalten war zur schwersten Prüfung der öden, eintönigen Tage geworden. Ich kam mir ziemlich kläglich vor, wie eine Motte ohne Licht. Aber wenn ich mich selbst verabscheute, so verabscheute ich Brant um so mehr. Er hatte mir das Leben gerettet und mir dafür Jorry geraubt, und das Bittere an diesem Handel war es, das mich Tag und Nacht um die Flamme kreisen ließ, die nicht vorhanden war.
    Ich glaubte, daß auch Leonore Brants Abwesenheit empfand. Das Kind in ihrem Leib war seit zehn Tagen überfällig, allerdings noch am Leben. Ihre Kammerfrauen vermeldeten, daß es immer noch lebhaft um sich trat. Leonores Gesicht blieb bei den wenigen Gelegenheiten, da ich sie unter meinem Publikum erblickte oder im Großen Saal tafeln sah, reglos und gelassen wie immer, aber ich glaubte ihr eine Anspannung anzumerken, die über die Furcht einer Frau vor der bevorstehenden Niederkunft hinausging. Auch sie mußte sich über den Sinn von Brants langer Abwesenheit wundern und in Frage stellen, daß er sich im Besitz der Weißen Schalmeien befand.
    Nur Cynda schien ihren Ehemann nicht zu vermissen. Sie tanzte mit Rofdal, ruderte auf dem Fluß, spielte Würfel, und ihr Puppengesicht rötete sich vor Fröhlichkeit oder Siegesstimmung. Wenn ich sie bei den Gesellschaften traf, die nach der Geschichtenspielerin verlangten, wirkten ihre Augen zu strahlend und ihr Lachen zu freudig, aber scheinbar nur für mein Ohr. Leonore zog sich in ihre Schwangerschaftsklausur zurück, und Cynda regierte am Hofe. In der Küche, wo man weniger diskret und dafür ehrlicher war als am Tisch mit dem Waffenmeister und dem Arzt, flüsterte man, daß Brants Abwesenheit es für Lady Cynda leichter mache, ins Schlafzimmer des Königs zu schlüpfen.
    Dieses Getuschel war weitgehend recht boshaft. Ich begriff, daß es für Brant, wie viele loyale Mannen er auch von Erdulin mitgebracht haben mochte, am Hofe wenige gab, die ihn mit Wohlwollen betrachteten. Als Außenstehender, der er geblieben war, wurde er geachtet, aber nicht geliebt. Er hatte in den Adel geheiratet, stammte aber selbst aus einer großen Kaufmannsfamilie; das legte man ihm zur Last. Er kam aus den Silberstädten und fühlte sich vielleicht dem Adel von Veliano überlegen; das nahm man ihm übel. Er behandelte Torheit und Unfähigkeit mit Spott und Ungeduld; dessen grollte man ihm. Und seine Frau war in aller Offenheit die Geliebte des Königs, und man warf ihm fremdartige Laxheit vor, daß er nicht Widerspruch einlegte, obgleich man es ihm als Dummheit auslegen würde, hätte er es getan.
    An einem warmen, windigen Morgen spielte ich vor einer königlichen Gesellschaft am Fluß, die ich mit dem langweiligen Märchen von den Drei Grünen Holzfällern unterhielt. Danach stand ich abseits, von Gästen und Dienern gleichermaßen und beobachtete alles. Der Wind strich über das schnellfließende Wasser, wühlte Blumen und Gräser auf und zupfte Strähnen aus dem Haar der Damen. Cynda saß mit um sich gebreiteten Röcken neben Rofdal, löste die goldfarbene Schärpe, die er um die dicke Taille trug und band sie sich um ihr wehendes Haar: ein Akt von Koketterie. Als sie die Arme hob, die Schärpe

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