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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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zu verknoten, wanderte ihr Blick seitwärts und suchte den seinen in einer gleichsam provozierenden und triumphierenden Geste und mit dem kecken Lachen einer Frau, für die es keine Rivalinnen gab. Doch als die Gesellschaft später auf das Schloß zuschlenderte, sah ich die Goldschärpe zerknüllt in Cyndas Hand. Sie hatte sie so klein wie möglich gefaltet und drückte sie mit fast gestreckten Fingern gegen ihre Handfläche, als wollte sie verbergen, daß sie sich noch in ihrem Besitz befand. Keiner, der sie nicht genauestens betrachtete, hätte es bemerkt. Ihr hübsches Gesicht lächelte, als dächte sie an nichts anderes als an die milde Luft und die warme Sonne, als wären Sorge und Verlust ihr völlig fremd.
    An diesem Nachmittag setzten bei Königin Leonore die Wehen ein.
     
    *
     
    Das Gerücht ging wie ein Lauffeuer durchs Schloß – und vermutlich darüber hinaus.
    »Ihro Gnaden die Königin liegt im Wochenbett!«
    »Bei Königin Leonore haben die Wehen eingesetzt!«
    »Die Königin hat…«
    »Die Königin…«
    Ich stand offen, aber unbemerkt in den langen Schatten der Galerie; die Sonne war gerade dabei unterzugehen. Am weit aufgerissenen Fenster scharten sich mehrere Damen zusammen, daß ihre Kleider strahlten wie Wildblumen; die älteste im Alter einer Großmutter, die jüngste nur wenige Jahre älter als Jorry. Ihre Stimmen klangen gedämpft und unheilvoll; sie hätten ebenso eine Verschwörung planen können.
    »Mein Erstgeborener kam mit einer Glückshaube zur Welt, ein gutes Omen!«
    »Der Vater des Königs auch, sagt meine Mutter. Erinnerst du dich noch, Großtante?«
    »Nein. Aber ich erinnere mich an das Kindbettfieber der Königsmutter. Vier Tage siechte sie dahin, mit einem Gesicht, eingefallen wie der Tod selbst.«
    »Und als ihre Schwester das mißgebildete Mädchen gebar, sah sie genauso aus. Und das Kind, wenn man das ein Kind nennen kann, sah… ich kann es nicht beschreiben.«
    »Ich habe es auch gesehen«, berichtete eine andere. »Und ihre zweite Geburt, das Kind, das mit den Füßen zuerst kommen wollte und nicht konnte.«
    »Das erste Kindbett der Schwester meines Lords…«
    Und so machten sie weiter, als gebäre keine Frau jemals ohne solche Katastrophen. Vielleicht stimmte das ja auch für adlige Damen. Das junge Mädchen unter ihnen war bleich geworden und biß die Zähne aufeinander. Um den ganzen Palast herum bildeten sich Gruppen mit ähnlich aufgeregten Damen bei Geflüster von Fieber, Zwillingen, Tumoren, Fehlgeburten… nur eine fehlte.
    »Geschichtenspielerin! Bring das für mich zu Lady Cynda in der Sonnenliegehalle. Ich habe keine Zeit für dieses Geschöpf!« Eine von Leonores Dienerinnen streckte mir einen Silberkäfig entgegen. Die Damen umringten sie, doch sie drängte sich an ihnen vorbei. »Ich habe keine Zeit, ich werde gebraucht, ich muß der Königin beistehen!«
    Ich dachte, daß Leonore vermutlich auf sie ebenso wie auf alle anderen bis auf den Arzt verzichten konnte, aber ich verneigte mich und nahm den Käfig entgegen. Die Zyrette im Käfiginnern schlief; Zyretten können fast trotz jeder Störung schlafen. Erst kürzlich hatten Karawanen sie aus den Silberstädten, die sie von Übersee importierten, mitgebracht, und die Damen bei Hofe hatten sie gekauft, weil sie neu, kostbar, prachtvoll und nutzlos waren. Die kleinen, um ihres süßen Gesangs, ihrer großen Augen und ihrer zarten Flügel willen gezüchteten Reptilien waren trotz ihrer großen Augen nahezu blind und mit ihren zarten Flügeln flugunfähig geworden. Damen in Frost und Perle führten sie an edelsteinbesetzten Leinen. Dieses Exemplar hier hatte Schuppen im zart angehauchten Rosa eines schlafenden Babys, und ich wußte, daß seine Augen die gleiche Farbe in einer dunkleren Schattierung mit silbernem Rand aufweisen würden. Die gefalteten Flügel, unter die die Zyrette ihren Kopf gesteckt hatte, waren fast durchsichtig bis auf die bläulichen und rötlichen Blutgefäße. Die Krallen an den Füßen hatte man entfernt. Ein Kaufmann hatte mir erzählt, daß die wilden Zyretten Beute von ihrer eigenen Körpergröße geschlagen hatten.
    Ich trug das geschwächte Ding zur Sonnenliegehalle. Dabei handelte es sich um einen Raum mit breiten Fenstern oben auf dem Nordturm, den man über eine steile, scharfwinklige Treppe erreichte, an deren Ende ein Teppich herabhing. Ich war fast dort angelangt, als ich hinter ihm eine Frauenstimme vernahm, die leise und zornerfüllt zischelte.
    »… mir verbieten!…

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