Schalmeienklänge
entfernt. Mein Geruchssinn wurde zu meinem hervorragenden Sinnesorgan, als wäre ich ein Tier: die Gerüche von vermodernden Kleidern, verfallenen Blumen, Tierdung und muffigem Samt. In einer Ecke blinkte etwas Metallisches. Ich hob meine Fackel, ging im Kreis durch den Raum, und das flackernde Licht glitt über das, was auf den Tischen und dem schmutzigen Boden lag, so daß immer nur ein Gegenstand beleuchtet wurde.
Ein Weinpokal.
Das Kolterstück einer Rüstung.
Ein kurzer, mit Gold bestickter Umhang aus rotem Samt: die Krone von Veliano in einem Kranz von Levkojenblüten.
Ein klebriger Handschuh. Ich erkannte ihn wieder: Es war Brants Handschuh, an dessen Leder das Blut seines erschlagenen Braunfuchses getrocknet war.
Ein Dolch, dessen Heft das Emblem eines der reichsten Lords des Königreiches trug.
Ein verbeulter, vom Regen streifig gewordener breitrandiger Hut. Auch den erkannte ich wieder.
Eine zerknüllte Goldschärpe.
Eine Männerbörse. Leer.
Ein Seidenkissen, eine seidene Nachtmütze.
Vertrocknete Blumen, zusammengebunden mit der Sehne eines Bogens. Der Bogen lag daneben.
Ein weiterer Dolch, der nun mit dem Wappenbild des Königs. Wie entwendet? Wann? Der Dolch eines Königs ist nicht einfach zu stehlen.
Ein Ring von Brant. Alt, wertlos, ein schlichter Reif, aber ich kannte ihn. Ich hatte ihn vor zehn Jahren bei Mutter Arcoa an seiner Hand gesehen.
Es war noch mehr da, lauter männliche Besitztümer, aber ich neigte meine Fackel über die Tischkante und hob den Ring auf. Er glitt mir aus den Fingern, und ich bückte mich zu Boden, um ihn zu suchen. Dort unter dem Tisch lagen noch mehr Gegenstände, die man gegen die schmutzige Wand geschleudert hatte. Ich zog sie ans Licht.
Ein Wollkleid, das von der Feuchtigkeit und den Nagern so angegriffen war, daß es mir unter den Händen zerfiel. Es war grob und formlos gewesen, von der Art, wie es nur die ärmsten Bergbauern mit einem Seil um die Taille geschlungen tragen. In das Kleid gehüllt waren Knochen. Sie klapperten, als ich sie herausschüttelte, alle waren von der gleichen Größe. Es waren alles die gleichen Knochen: Schweinshaxen.
Ich starrte den Haufen weißer Knochen an. Wer hatte Ards Schweine für Cynda geschlachtet, als Ard verhaftet worden war? Oder hatte sie einfach abgewartet, bis sie in ihren Pferchen verhungert waren und Winterschnee und Sommerhitze das ihre getan hatten, daß sie die Knochen nur noch hatte einsammeln und im Brunnen waschen müssen?
Ein nacktes Mädchen rittlings auf einem Schwein, dessen langes blondes Haar ihr ins Gesicht fällt und aus dessen Körper merkwürdige Gegenstände wachsen, die sie Brant gibt.
Das Bild war aus Brants Innerem gekommen. Es war als Lüge gedacht. Und das war es auch gewesen, wie fast alles, was von ihm kam. Eine blonde Frau, die auf groteske Weise gab und nahm. Zwei blonde Frauen, die auf groteske Weise gaben und nahmen, von ihm und an ihn und untereinander, und zwischen den jämmerlichen Gegenständen, die ich hier befühlte, formten sich ihre Lebensgeschichten. Ein Gehirn kann vielleicht weiter sehen, als es ertragen kann, und so daraus ein Geschichtenspiel entwickeln und glauben, es wäre nur eine Fiktion.
Ich griff weiter unter den Tisch und nach anderen Dingen aus Ards Besitz, wo Cynda sie hingeschleudert hatte. Ihre Trophäen auf den Tischen und Ards Leben darunter in Mist und Schlamm. Wieviel Befriedigung hatte es Cyndas Eifersucht verschafft, das alles auf diese Weise zu arrangieren? Und wieviel wußte Brant unbewußt, daß seine Lüge von der Frau auf dem Schwein so viel schreckliche Wahrheit enthalten konnte?
Niemals wieder wäre ich in der Lage, meinen Beruf als harmlose, einfache Unterhaltung zu sehen.
Meine Finger fanden einen vermoderten, stinkigen Mantel, ein paar Ackerbaugeräte, die Ard benutzt haben mußte, und einen Kochtopf. Alles Metallische hatte durch Alter und Feuchtigkeit Grünspan angesetzt. Ein Kamm, ein Tranchierbrett. Ein Brunnenflaschenzug – Cynda mußte den ganzen Hof abgesucht und alles zusammengetragen haben, was ihre Rivalin benutzt oder berührt hatte. Sie mußte gründlich gesucht haben, denn zwischen den kläglichen Hinterlassenschaften, die die Tote überdauert hatten, befanden sich zwei Holzkästen, die beide verkrustet und von Tieren angenagt waren, als hätten sie lange im Schmutz verborgen gelegen.
Ich öffnete den ersten. Im Innern lag ein viereckiges Stück vermoderten Wollstoffs und darin eingeschlagen zwei lange Haarlocken, deren
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