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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Welche? Die zwei. Ihr zwei gehört zu mir. Steigt auf. Ihr werdet mich beschützen, daß keiner Hand an mich oder die Weißen Schalmeien legt. Den Stock hier stecke ich in den Boden, hier in der Sonne, Eallow. Du siehst, wohin der Schatten fällt. Wenn der Schatten hierher gewandert ist, nicht mehr, nicht weniger, wirst du mit den Männern der Königin genau das machen, was ich dir nun auftrage. Du wirst meine Instruktionen befolgen, was immer du auch siehst.«
    Er blinzelte nicht einmal. Das war mir vorher gar nicht aufgefallen: Kein einziger von ihnen blinzelte jemals. Als Seelenerjagte hatten sie sogar den Willen über ihre Augen verloren. Ich fragte mich, ob die grelle Sonne ihrer Sehfähigkeit nicht schadete, doch dann fiel mir wieder ein, daß diese Männer sterben würden. Wie hatte ich das nur einen Augenblick lang vergessen können?
    Als ich Eallow alle Instruktionen erteilt hatte, nahm ich meine zwei Wachen und setzte zu einem halsbrecherischen Galopp zurück zum Schloß an.
    Man entdeckte uns fast augenblicklich. Männer ritten uns wie rasend entgegen, und als ich auf meinen Schalmeien blies, erstarrten sie. Nicht so jedoch die Pferde. Sie rasten weiter, während ihre Zügel schlaff in reglosen Händen lagen, bis irgendein Reflex außerhalb des Bewußtseins ihre Reiter veranlaßte, sie zum Halten zu bringen, daß sie wild die Augen verdrehten.
    Menschen, Tiere aber nicht. Tiere blieben frei von den Auswirkungen der Weißen Schalmeien, sie blieben sie selbst. Ich dachte an die verrückte Ard, die sich im Schlaf zwischen ihre Schweine gekuschelt hatte, die sie nicht beherrschen und deshalb auch lieben konnte.
    Als wir uns den einzelnen erstarrten Reitern näherten, befahl ich ihnen jeweils, abzusteigen und mit gezogenem Schwert meine Wachen zu begleiten. Je weiter ich mich, immer noch unter Schalmeienspiel, dem Palast näherte, um so mehr Männer warb ich, und wir rückten durch das kniehohe Gras völlig lautlos, bis auf die hohe und klagende Melodie der Weißen Schalmeien, vor.
    Sie lagen nicht mehr so kalt in meiner Hand.
    Die Musik eilte uns voraus. Als wir in den Hauptinnenhof traten, stand uns eine regungslose Streitmacht gegenüber: Bogenschützen, die Bogen und Sehnen überprüften, Schwertkämpfer in Waldrüstung, Diener, die angepflockten Pferden Eimer mit Wasser vors Maul hielten, Pagen und Priester. All dieses Durcheinander zur Vorbereitung des Ausritts, und von allen bewegten sich nur die Pferde. Alles übrige um mich her war so reglos wie ein gewebtes Bild auf einem Schlachtengobelin.
    Ich blieb bei dem jüngeren Soldaten stehen, dessen Lederrüstung das Emblem von Rofdals Garde trug. »Für welch eine Schlacht laufen all diese Vorbereitungen?«
    »Zur Vernichtung der Seelenjäger, die unser Bewußtsein vergewaltigen«, entgegnete er, und seine junge Stimme bebte vor Angst.
    »Warum wartet ihr? Warum seid ihr noch nicht losgeritten?«
    »Ich weiß es nicht. Wir warten auf das Wort des Königs.«
    »Seit wann?«
    »Seit heute früh. Aber es ist noch nicht erfolgt.«
    Ein von oben gefeuerter Pfeil traf ihn an der Schulter. Hektisch blies ich die Weißen Schalmeien. Der Bogenschütze, der sich irgendwo innerhalb des Schlosses aufgehalten hatte, so daß er die Schalmeien zuvor nicht gehört hatte, vernahm sie nun ebenfalls. Ich blies weiter, während sich zu meinen Füßen der junge Soldat unter dem Pfeil wand, der mir gegolten hatte.
    »Bleibt hier!« rief ich ihnen allen zu, lief in den Palast und blies dabei unablässig die Weißen Schalmeien, denn ich hatte Angst abzusetzen. Erstarrte Diener, Wachen, Damen und Küchenmädchen.
    Ich fand Leonore, Perwold und die anderen Männer im Gemach des Königs und befahl meinen Wachen, ihnen die Hände zu fesseln und die Füße der Männer an schwere Möbelstücke zu binden. Dann schickte ich sie und die vier Wachsoldaten aus dem Gang zur Durchsuchung des Schlosses, mit dem Auftrag, alles zu fesseln oder zu töten, was sich regte. Ich hatte nicht vergessen, daß alle, die zu Leonore gehörten und die Bewußtseinskünste beherrschten, den Zauber der Weißen Schalmeien schneller abschütteln konnten als die übrigen. So schnell wie Brant?
    Dann wartete ich und beobachtete Leonore. Sie würde den Zauber als erste überwinden. Sie war in dunkle Seide gekleidet, das schwarze Haar fiel ihr offen und glasglatt auf die Schultern, und ihr Gesicht war so ernst und still, daß sie nicht viel anders aussah als die Male, da ich sie im Großen Saal, beim

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