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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Leichname seines Kammerdieners, eines Dienstmädchens und eines Pagen. Der Page sah nicht älter aus als Jorry, und beim Anblick des kleinen toten Gesichts, dessen blaue Augen noch offenstanden, verflog alles zarte Wohlbehagen, das noch von den Schalmeien zurückgeblieben war. Ich schob Leonore vor Rofdal auf die Knie und riß dem König die Tücher vom Mund, mit denen man ihn geknebelt hatte.
    Der König von Veliano starrte mich voller Wut und Haß an -Furcht stand nicht in seinen Augen. In meiner Hand lagen die Weißen Schalmeien, von denen die Priester ihm gewiß gesagt hatten, daß sie die Gefahr des Bösen bedeuteten; meine andere Hand zerrte die Königin an den Haaren wie irgendeine Straßendirne; vor ihm lagen die blutenden Leichname seiner Leute – und noch immer zeigte er nichts von der Furcht, die ich empfand, und seine Stimme klang so gefährlich wie ein in die Enge getriebener Keiler, der Kräfte zum nächsten Angriff sammelt.
    »Demnach überwältigst du beide, Verräter und König, mit deinen bösen Künsten.«
    »Nein, Euer Gnaden… nein. Die Königin ist der Verräter…« Er warf ihr nicht einmal einen Blick zu. Sie hätte schon so tot sein können wie die Leichen neben ihm. »Mein Palast ist voll von Verrätern!«
    »Aber ich gehöre nicht dazu«, widersprach ich schnell. »Und Lord Brant auch nicht.«
    »Wachen!« brüllte Rofdal, daß die Wände zu zittern schienen. »Wachen!« Der Stein hallte von seinem Zorn wider, und kein einziger Ton darin schrie nach Hilfe oder Rettung, nur nach Rache. Zum ersten Mal begriff ich, daß, wenn diese Wände weniger dick gewesen wären und Rofdal die Schalmeien gleichzeitig wie Leonore gehört hätte, er noch unter ihrem Zauber stünde und dieser markerschütternde Schrei unmöglich gewesen wäre – ebenso wie meine Bemühungen, ihn zu überzeugen. Zitternd drückte ich mir die Hände auf die Ohren, und der König brüllte wieder: »Wachen! Wachen!«
    »Sie werden nicht kommen«, erklärte ich.
    Leonore schrie: »Sie hat sie mit den Weißen Schalmeien in ihrem Bann! Genau wie sie mich in ihrem Bann hielt, als ich Euch heute früh ergreifen ließ!« Sie begann an ihren Haaren zu reißen, und Tränen unschuldiger Furcht brannten in ihren Augen. »Oh, ich bin überwältigt worden. Sie ist in mein Bewußtsein eingedrungen! Mylord…«
    Nun richtete er seinen Blick auf sie.
    »Euer Gnaden«, sagte ich schnell, »sie lügt. Als sie Euch heute früh ergreifen ließ, handelte es sich genau um das, was Ihr vermutet habt: den Griff nach Eurem Thron. Ihre Männer folgten mir in den Wald, um mir die Schalmeien abzunehmen und ihr zu bringen, damit sie Euch beherrschen könnte. Es stimmt, daß sie das Bewußtsein verzaubern, die Priester der Vier Schutzgötter haben Euch das gewiß erzählt, und die Königin wollte die Schalmeien benutzen und Euch zu einem öffentlichen Selbstmord zwingen, während Ihr selbst hinter den Schalmeien herjagtet. Folgendes Ziel wollte sie erreichen: daß Euer Erbe zum König gekrönt worden wäre und sie und ihr Bruder über ihn regiert hätten, bis er erwachsen gewesen wäre.«
    Voller Abscheu starrte Rofdal auf die Schalmeien in meiner Hand. »Diese… mit denen hast du in meinem Königreich Seelenjägerei betrieben!«
    »Sogar in Eurem Schloß«, fiel Leonore schnell ein, »und an Eurer Königin.« Sie zitterte, und es wirkte so echt, daß ich sie selbst fassungslos anstarrte. »Und Ihr glaubt von mir, Mylord, ich…«
    Ich hörte Brants Stimme: Und selbst das würdest du mir zutrauen, Fia. Er hatte die Wahrheit gesprochen, und sie log, aber der Tonfall war der gleiche.
    »Du wirst sterben«, sagte Rofdal zu mir, und seine Stimme war zu Stein gewordener Haß. »Du wirst bei lebendigem Leib geschunden und der Verräter Brant mit dir.«
    Von irgendwo im Schloß, selbst bei geöffneten Türen kaum vernehmbar, ertönte gedämpfter Gefechtslärm. Die die Bewußtseinskünste beherrschten, hatten den Schalmeienzauber abgeschüttelt, und die noch unter seinem Einfluß standen, machten sie nieder. Innenhof und Gänge würden blutbesudelt werden.
    »Brant stirbt bereits«, erklärte ich dem König. »Perwold hat ihn gefoltert, und es ist keiner da, der ihn pflegen könnte. Ich konnte niemanden bei ihm zurücklassen. Keine anderen Verschwörer, keine Intriganten wie jene, die heute früh Eure Diener töteten – die dieses Kind hier für kein schlimmeres Verbrechen töteten als seine Loyalität gegenüber dem König. Was würde ich gewinnen, wenn ich

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