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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Kinder umbrächte? Was könnte ich damit gewinnen, das Bewußtsein der Königin zu beherrschen, um durch sie Kinder umbringen zu lassen? Ich will weder den Thron von Veliano noch irgend etwas anderes erringen. Ich bin nur noch hier, Euer Gnaden von der Wahrheit und von Lord Brants Unschuld zu überzeugen. Dazu mußte ich mich der Königin und ihrer Männer bemächtigen und auch der Euren, sonst hätte ich nicht einmal zu Euch vorstoßen können. Aber da ich nun vor Euch stehe, bitte ich Euer Gnaden nur, die Wahrheit zu erkennen und Euren Thron zu behalten.«
    Rofdal betrachtete mich ruhig. Leonore begann irgend etwas zu schreien, und ich schlug ihr über den Mund. Es geschah, ohne daß ich zuvor darüber nachgedacht hätte. Sie kippte zur Seite, da sie immer noch gefesselt war, und bot das Bild einer schönen, verängstigten und beklagenswerten Frau. Ich begriff meinen Fehler.
    »Euer Gnaden, hört mich bitte an«, hatte Cynda gefleht und verloren.
    »Sie hat Seelen erjagt!« kreischte Leonore. »Was glaubt Ihr, warum Eure Wachen auf Euren Ruf nicht kommen? Sie hat ihre Seelen behext!«
    »Aber niemals Throne usurpiert!« schrie ich und fragte mich, welches Argument für einen König schwerer wiegen mußte. Rofdals Blick wanderte von ihr zu mir. Trotz seiner Fesseln und seiner Hilflosigkeit war er immer noch in jene furchtlose Macht gehüllt wie in einen königlichen Mantel, und ich begriff, wenn ich ihn tötete, würde er furchtlos sterben, da er nicht einmal anerkennen konnte, daß der Tod einen höheren Rang einnahm. Wie ließe sich ein solcher Mann überzeugen? Was konnte ich tun?
    »Warum sollte es dich kümmern, wenn Brant stirbt?« wollte Rofdal wissen.
    »Er war früher einmal mein Liebhaber. Er ist der Vater meines Kindes.«
    Leonore mischte sich ein: »Eine verlassene Geliebte und ein Bastard! Glauben Euer Gnaden, daß sie Euch die Wahrheit sagt?«
    »Mein Sohn«, sagte ich, und mein Blick hielt Rofdals stand. »Brant hält meinen Sohn fest. Was würdet Ihr für Euren Sohn tun, Euer Gnaden? Alles das, was ich unternehme, um meinen eigenen zurückzugewinnen!«
    »Ist mein Sohn noch am Leben?« fragte er zu ruhig, und ich sah, welche Mühe ihn diese Frage kostete. Ich sprang auf, lief zur Tür und rief dem nächstbesten, den ich sah, zu: »Holt den Prinzen vom Kinderzimmer hierher!«
    Rofdal und Leonore beobachteten mich aus starren Augen. Ich kniete vor dem gefesselten König.
    »Denkt Ihr, ich würde einem Kind etwas zuleide tun? Ihr irrt Euch, Euer Gnaden. Ich hole ihn, damit Ihr sehen könnt, daß er unversehrt ist, und weil ich nicht weiß, wie ich Euch überzeugen kann, daß ich die Wahrheit spreche. Ihr habt mich eine Seelenjägerin genannt, und ich habe als solche gehandelt, um mein Kind zurückzugewinnen. Würdet Ihr das nicht ebenso? Doch ich will von Euch nicht mehr, als daß Ihr Lord Brant und mich am Leben laßt und die Beweggründe für mein Verhalten und die falschen Gründe erkennt, aus denen heraus die Königin gehandelt hat!«
    Er schwieg.
    Man brachte den Prinzen, und ich nahm ihn dem Soldaten ab. Die Zeit… die Zeit rann dahin, und es blieb mir nicht mehr viel Zeit.
    Rofdal betrachtete seinen Sohn in meinen Armen. Dem Wachsoldaten befahl ich: »Führt die Königin aus dem Gemach des Königs.«
    Er hob sie empor, als wäre sie eine Puppe. Sie begann zu kreischen und zu schreien, aber er blieb so ungerührt wie eine leere Rüstung, während er sie hinaustrug.
    »Das ist Seelenjägerei«, sagte ich so ruhig ich konnte. »Er untersteht meinem Befehl aufgrund von Drogen, die ich eingenommen, und der Weißen Schalmeien, die ich geblasen habe. Das gesamte Schloß steht unter meinem Kommando außer der Königin und Euch. Und ich schwöre beim Leben unserer beiden Söhne, daß ich alle freigebe, wenn Ihr mir und Lord Brant freien Abzug aus Veliano gewährt. Ansonsten werde ich alles tun, was Ihr befehlt, nicht um zu feilschen, sondern um Euch zu beweisen, daß alle meine Sünden nur zur Abwehr von Kräften geschahen, die Euren Thron an sich reißen wollen. Euch steht rechtmäßig die Macht zu. Ich werde alles tun, Mylord, Euch von der Wahrheit zu überzeugen.«
    Er forderte: »Binde mich los.«
    Ich blieb ganz still stehen und hielt seinem Blick stand. Groß, kräftig, mit kaum gezügelter Wut – wenn er sich auf mich stürzte, könnte ich schnell genug die Weißen Schalmeien blasen, um ihn aufzuhalten? Und wenn ich es tat, war alles vorbei. Meine einzige Hoffnung überhaupt begründete sich

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