Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska
Gegenüber sofort ihre Anwesenheit bemerken müssen. Doch wer immer es auch war – er rührte sich nicht. Allem Anschein |247| nach konnte er sie nicht sehen. Erst als der Lichtschein eine andere Richtung nahm, sah sie, dass es Kolja war, der hier alleine durch die Hallen schlich. Der Russe verschwand hinter der Maschine, und Viktoria gab Leonid ein Zeichen, dass er sie loslassen sollte.
»Ich kenne ihn«, flüsterte sie. Keinesfalls wollte sie riskieren, dass Kolja auf Leonid aufmerksam wurde. Sein Verhältnis zu Bashtiri war ihr von Beginn an nicht klar gewesen. Und wer wusste es schon – vielleicht lungerten Lebenovs Wachhunde in den übrigen Gängen oder dort draußen vor der Tür? Ihr lief es heiß den Nacken hinab, was wäre, wenn sie Ajaci entdeckten? Sie musste etwas unternehmen und die Aufmerksamkeit von Leonid ablenken. Mit einem Ruck entzog sie sich Leonids Griff – so schnell, dass er sie nicht halten konnte.
Kolja schnellte herum. Ein erstickter Schrei entfuhr seiner Kehle. Leonid, der bereits sein Messer gezogen hatte, beobachtete die Szene mit einer lähmenden Unentschlossenheit. Falls es ein Scherge aus Lebenovs Truppe war, würde es eine Menge Probleme geben, wenn er den Mann angreifen und es zu einem Kampf kommen würde.
Plötzlich konnte Viktoria sehen, dass Kolja nicht nur eine Taschenlampe in Händen hielt. Mit der anderen Hand umklammerte er eine Pistole, die er bedrohlich auf sie gerichtet hielt.
»Kolja, mein Gott! Nicht schießen, ich bin es, Viktoria!«
Leonid blieb das Herz stehen; beinahe hätte er sich zu erkennen gegeben.
»Blja, was tust du hier?« Ein Schwall russischer Schimpfworte prasselte auf sie herab.
»Dasselbe könnte ich dich fragen!« Während sie Kolja fordernd anschaute, entspannte sie sich ein wenig. Leonid war ihr nicht gefolgt, und sie konnte nur hoffen, dass er ihre Absicht erahnte. Kolja von ihm abzulenken war das Wichtigste, an das sie im Moment denken konnte. Sie musste es schaffen, den Russen davon abzuhalten, sich allzu gründlich umzuschauen, und sie wollte ihn unbedingt möglichst schnell nach draußen locken. Obwohl er die Waffe nur zögernd sinken ließ, tat sie einen Schritt nach vorn und fasste Kolja am Arm.
»Bist du allein hier unten?« Das war die entscheidende Frage. Was würde es nützen, ihn nach draußen zu lotsen, wenn es ansonsten hier unten von Soldaten nur so wimmelte?
|248| »Ja«, bestätigte er heiser. »Ich bin allein.« Dabei schaute er sich noch einmal gründlich um, als ob er sich selbst vergewissern musste, dass außer ihm und Viktoria niemand hier unten war.
Viktoria spähte in die Dunkelheit. Leonid war nicht zu sehen. Ihr war aber, als ob sie tief in ihrem Bewusstsein seine Stimme vernahm.
Geh mit ihm hinaus
, sagte er,
und mach dir keine Sorgen, ich werde dir folgen.
»Lass uns ans Tageslicht gehen, Kolja. Ich habe mich hier unten verlaufen und möchte nur noch nach oben. Wir können hierher zurückkehren, zusammen mit meinen Kollegen und Olguths Team, um weitere Untersuchungen vorzunehmen. Für einen alleine ist das hier unten zu unübersichtlich.«
Ihr Blick wirkte allem Anschein nach so flehend, dass Kolja einwilligte, obwohl seine Aufmerksamkeit immer noch von der seltsamen Maschine gefangen wurde. Dabei schien ihm nicht aufzufallen, dass Viktoria gar keine Taschenlampe bei sich trug.
»In Ordnung«, sagte er und lenkte den Strahler seiner eigenen Lampe in die entgegengesetzte Richtung. Viktoria hakte sich bei ihm unter und zog ihn regelrecht in Richtung Ausstieg.
Leonid folgte den beiden in sicherem Abstand. Es erleichterte ihn zu hören, dass sie sich zwanglos unterhielten – über das Ausmaß des Bunkers und warum man ihn erbaut haben könnte. Viktoria redete wie ein Wasserfall, während der Kerl an ihrer Seite einsilbig blieb oder nickte.
Leonid erschien es wie eine Ewigkeit, bis Viktoria und der Fremde endlich hinaufgeklettert waren. In einer Nische am Fuße des Einstiegs wollte er warten, dass sie sich endlich entfernten, bevor er selbst ans Tageslicht zurückgelangen konnte.
Gierig atmete Viktoria die feuchte Waldluft ein; es erschien ihr wie eine Erlösung, als sie die Morgensonne von neuem begrüßte. Ajaci wartete immer noch brav hinter dem Baum. Erst als er sah, dass sie mit einem fremden Mann aus dem Loch hinausgeklettert kam, sprang er auf und brach in ein unkontrolliertes Heulen aus, das in ein bösartiges Knurren überging, als Kolja unvermittelt auf ihn zutrat.
»Das ist doch der Köter, den wir
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